Man nehme das grundlegende Spielprinzip von Battlestate Games‘ Hardcore-Shooter „Escape From Tarkov“, gebe ein wenig abgespaced-futuristisches Welt-Design in knallbunter Comic-Optik á la „Apex Legends“ hinzu und schmecke das Ganze mit einigen leider typisch-deutschen Design-Schwächen ab, – und heraus kommt… na? Genau, richtig geraten: „The Cycle: Frontier“!
Seit knapp zwei Wochen, genauer seit dem 8. Juni 2022 hat der vom Berliner Entwicklerstudio Yager Development kreierte Survival-Crafting-Shooter die mehrere Monate dauernde Open-Betaphase verlassen und steht seither unter anderem bei Steam sowie im Epic Games Store in der Rubrik Free-To-Play zum Download bereit. „Tarkov“, „Apex“… alles Titel, die mich ansprechen. Also war ich mal so mutig und hab, während der Wartezeit auf den angekündigten nächsten „Tarkov“-Wipe, der Wundertüte made in Germany mal eine Chance gegeben.
Es folgt meine Review zu „The Cycle: Frontier“ von Yager Development. Diese bezieht sich auf die PC-Fassung des Spiels in ihrer gepatchten Version 1.2.0.
The Cycle: Frontier
Online-Shooter, 2022
Yager Development
www.TheCycle.game
Release-Trailer
Review
Beginnen wir mit den Basics: Worum geht es eigentlich in „The Cycle: Frontier“? Spielerinnen und Spieler erwachen als Prospektoren auf einer Raumstation, die im Orbit des unwirtlichen Planten Fortuna III ihre Bahnen zieht. Nach einem sehr simpel gehaltenen, jedoch die grundlegende Steuerung sowie sämtliche Spielelemente ausreichend gut erklärenden Tutorial-Abschnitt, wird man mit drei Fraktionen bekannt gemacht – Korolev, ICA und Osiris -, welche die Station unter sich aufgeteilt haben und jeweils ihre ganz eigenen Interessen verfolgen. Die drei Fraktionen versorgen den Spieler in schöner Regelmäßigkeit mit so genannten Kampagnen-Missionen, wie sie – leider – rudimentärer nicht sein können: Sammele drei hiervon, bring soundso viele davon um die Ecke, ach ja, und wenn du schon mal dabei bist, crafte doch mal eben dies und das und jenes. Sobald der Charakter bei einer Fraktion ein gewisses Standing erreicht hat – genauer gesagt Rufstufe 3 – werden zudem Jobs freigeschaltet. Diese unterscheiden sich lediglich durch ihre Bezahlung von den normalen Missionen. Ist alles nix neues, kennt man aus so ziemlich jedem MMO da draußen sowie von Spielen, die auf eine tiefe Geschichte nicht allzu viel geben. Auch „The Cycle: Frontier“ ist so eines, denn nachdem das erwähnte Tutorial absolviert wurde, war es das mit dem roten Faden. Eine ausgearbeitete Handlung sucht man vergebens.
Um die erwähnten Aufträge abschließen zu können, müssen Spielerinnen und Spieler sich in eine Landungskapsel zwängen und zum Planeten Fortuna III aufbrechen, – wahlweise allein oder im Team mit bis zu drei Begleitpersonen. Das Matchmaking geht dabei dankenswerterweise erstaunlich flott vonstatten: Hat man die gewünschte Map – zur Auswahl stehen Bright Sands oder Crescent Falls – ausgewählt (die einzelnen Zonen unterscheiden sich sowohl hinsichtlich der dort vorherrschenden Flora und Fauna als auch von der Qualität des Loots teils enorm voneinander), und sich zu einer Entscheidung durchgerungen, ob man seine – mal mehr, mal weniger – wertvolle Ausrüstung versichert oder nicht (auch das ist übrigens ein u.a. aus „Tarkov“ bekanntes Feature), findet man sich nach einem vielleicht wenn es hoch kommt drei-sekündigen Ladescreen schon im Landeanflug auf den Planeten wieder. Hier hat „The Cycle: Frontier“ definitiv die Nase meilenweit vorn; kein Vergleich zum jedes einzelne Mal unheimlich zählen, nicht enden wollenden Matchmaking-Prozess im großen Vorbild „Escape From Tarkov“!
Kurz nachdem ich das erste Mal auf Fortuna III angekommen war, hab ich mich ungelogen gefragt, ob das noch „The Cycle: Frontier“ ist – oder ob sich heimlich, still und leise „Apex Legends“ geöffnet hatte. Mit seiner futuristischen, in poppig-statten Farben gehaltenen, irgendwie „klobig“ gestalteten, Unreal Engine gepowerten Landschaft erinnert mich Yagers PvPvE-Shooter frappierend an meinen persönlichen Battle-Royale-Champion „Apex Legends“. Ich mag den Grafikstil! Nicht ansatzweise vergleichbar ist indes die Art und Weise, wie man sich mit seinem Charakter durch die Welt bewegt. Das geschieht eher langsam; selbst während Sprints mag kein echtes Gefühlt von Geschwindigkeit oder sowas wie Dynamik aufkommen. Alles wirkt irgendwie träge. Zudem ist über Absperrungen klettern, sich an Wänden empor hieven und Felswände erklimmen eher hakelig geraten und bremst den eh schon mau geratenen Spielfluss noch zusätzlich aus, wenn etwa überwindbare Hindernisse erst beim zweiten Anlauf überwunden werden, oder der Charakter in der Spielwelt an unscheinbaren Ecken und Kanten hängen bleibt, weil die Kollisionsabfrage zu ungenau arbeitet.
Auch das Gunplay von „The Cycle: Frontier“ hat mich in all den auf Fortuna III verbrachten Stunden nicht sonderlich in seinen Bann ziehen können: Alles sehr arcadig, schwammig, ungenau geraten. Klar, ein Free-2-Play-Game muss auf Zugänglichkeit setzen, damit es eine möglichst große Zielgruppe anspricht. Sowohl Casuals als auch Hardcore Gamer, wobei letztere zweifelsohne im Fokus stehen. Insbesondere letztere dürften jedoch vom aktuellen Zustand des Gunplays, wie sich Pistolen, Shotguns, Maschinen- und Scharfschützengewehre sowie die weiterem im Spiel enthaltenen Waffen „anfühlen“, eher abgeschreckt werden. Da bringt es auch nichts, dass die Gun-Fights soundmäßig echt in Ordnung gehen, wie ich finde. Kämpfe gegen die überall an vielen Orten in der Spielwelt umherstreifende lokale Fauna sowie gegen andere Spielerinnen und Spieler, die auf Fortuna II ebenfalls ihr… Glück… versuchen und einem gegebenenfalls den mühsam eingesammelten wie erkämpften Loot abluchsen wollen, sind zudem viel zu schnell wieder vorbei und fühlen sich alles in allem nicht sonderlich belohnend an. Nach wenigen Sekunden ist in der Regel Schluss. Hier sollten die grundlegenden HP des Charakters, sowie der Anteil, welcher durch die angelegte Ausrüstung generiert wird, nochmal grundlegend überarbeitet – soll heißen: angehoben – werden. Auch stünde sein Schild-System nach dem Vorbild von „Apex Legends“ dem Spiel gut zu gesicht. Mob-KI ist lediglich rudimentär vorhanden: Hat man sich mit seinem Charakter einmal Aggro eingehandelt, so laufen die Mobs stur in gerader Linie auf einen zu. Flankieren oder irgendeine besondere, überraschende Taktik, gar im Rudel irgendwie zusammenarbeiten, können sie nicht.
Durchaus spannend wird das Gameplay indes, sobald man seine Aufträge abgearbeitet, alle nötigen Mobs gekillt, Erze abgebaut und alle sonstigen geforderten Items für seine Auftraggeber eingesammelt hat: Um Fortuna III wieder in Richtung Heimat verlassen zu können, muss man sich mit seinem Charakter nämlich zu einer von maximal drei zufällig auf der ordentlich großen Map platzierten Lande-Locations begeben, wo man im Anschluss an eine schier nicht enden wollende Wartezeit von einem Shuttle abgeholt und zurückgeflogen wird. Spätestens da sieht man sich in der Regel mit konkurrierenden Spieler-Charakteren konfrontiert, die ihrerseits ebenfalls das Shuttle in Richtung Raumstation erwischen wollen. Auf der Map können bis zu 20 Charaktere gleichzeitig unterwegs sein – sowohl solo, als auch im Team mit bis zu vier Personen -, von daher kann es oft recht brenzlig werden. Natürlich könnte man sich verbünden und die Location einfach gegen anrückende Feinde verteidigen; in der Regel sieht es jedoch – trotz VoIP – so aus, dass man sich zur Begrüßung erstmal mit ordentlich Blei (oder was auch immer in den futuristischen Waffen an Munition stecken mag) beschießt, um auch noch den Loot des anderen mit in Richtung Heimat nehmen und dort bei den Händlern gegen bare Münze verkloppen zu können.
Ebenfalls cool sind die random stattfindenden Planeten-Events wie z.B. ein Meteoritenregen, der sowohl grafisch spektakulär in Szene gesetzt wurde, als auch spielerisch Abwechslung bereithält. In den einzelnen abgestürzten Meteoriten befinden sich in der Regel seltene Crafting-Materialien wie Juwelen, Edelsteine oder Erze, welche wiederum für die Anfertigung von besonders hochwertigen Ausrüstungsteilen und Waffen benötigt werden. Klar, dass man sich diese nicht einfach so unter den sprichwörtlichen Nagel reißen kann. Meist avancieren die Absturzstellen binnen weniger Minuten zu hart umkämpften Hotspots.
Beißt der eigene Charakter während des Ausflugs auf den Planeten Fortuna III dann doch einmal ins Gras, so verliert er sämtliche Gegenstände, die er bei sich trägt. Dies umfasst sämtliche angelegte Ausrüstung sowie den gesamten Inhalt des Rucksacks, ausgenommen jener Items, die sich in der Sicherheitstasche befinden. Leider ist dieser gegen Verlust geschützte Bereich des Inventars ausgesprochen begrenzt. Wer vorab einige der mitgeführten Gegenstände versichert hat, kann zudem darauf hoffen, dass diese geborgen und zeitnah zurück zur Station geschafft werden. – Auch hier hat man sich mehr als offensichtlich vom großen Vorbild inspirieren lassen.
War die Flucht von Fortuna 3 hingegen von Erfolg gekrönt und man ist mit seinem Charakter wieder auf der sicheren Station im Orbit des Planeten angekommen, können verdiente Credits in Ausrüstung und Munition investiert, neue Waffen und Ausrüstung gecraftet, und in den Prospektoren-Quartieren über insgesamt drei verfügbare passive Skill-Trees diverse Vorteile freigeschaltet, bzw. peu á peu weiter aufgelevelt werden. Letztgenannte wirken sich teils enorm auf das Gameplay aus: So kann man sich beispielsweise einen Generator für ein Grundeinkommen zulegen, welcher pro Stunde 200 Credits ausspuckt (bis zu einem Maximum von 2.500 Credits) ohne dass man etwas dafür tun muss, oder aber die Anzahl in der Sicherheitstasche verfügbaren Item-Plätze kann erhöht und das Item-Lager für besonders wertvolle Gegenstände ausgebaut werden, – alles sehr praktisch! Ebenfalls in den Appartements können tägliche Belohnungen sowie Twitch-Drops abgeholt werden. Eine Möglichkeit, auf Fortuna III gefundene oder selbst hergestellte Items mit anderen Spielern zu handeln, existiert – zumindest aktuell – nicht. Ob ein solches Feature für eines der zukünftigen Updates geplant ist, – unklar. Auf der Station ist auf jeden Fall ausreichend Platz vorhanden, um irgendwann ein schönes Auktionshaus zu eröffnen.
Als positiv herausstellen möchte ich auf jeden Fall auch das User Interface des Spiels. Dieses ist wirklich stylish anzusehen, aufgeräumt, schnell und überhaupt durchweg einfach zu bedienen. Sämtliche Menüs sind alternativ per simplem Tastendruck aufrufbar, was Power-Gamern entgegen kommen dürfte.
Tja, das war er auch schon, der Gameplay-Loop… oder eher: der Gameplay-Cycle von „The Cycle: Frontier“: Neue Missionen und Jobs annehmen –> den eigenen Charakter von der Ausrüstung her bestmöglich ausstatten –> runter auf den Planeten –> Mobs um die Ecke bringen, Erz, Juwelen und sonstige Crafting-Materialien auftreiben, feindliche Charaktere um die Ecke bringen –> ab zur Shuttle-Landezone –> diese verteidigen –> zurück zur Raumstation, abgeschlossene Missionen und Jobs abgeben –> und das Ganze wieder von vorn! Das bleibt auch nach mehreren Stunden im Spiel so. Größere spielerische Abwechslung bringen einzig und allein die viel zu seltenen Konfrontationen mit anderen Spielerinnen und Spielern auf der Planetenoberfläche – und eben diese sind in der Regel bedauerlicherweise aufgrund des nicht sonderlich balancierten Gunplay und den viel zu geringen HP der Charaktere viel zu zügig wieder vorbei. – Etwas anderes gibt es – zumindest aktuell – nicht zu tun. Natürlich ist ein gewisser Suchtfaktor á la „Nur noch eine schnelle Runde“ nicht von der hand zu weisen. Dennoch: Alles ist sehr rudimentär, abgespeckt und überhaupt schnell durchschaut. Wirkliche spielerische Tiefe, die auch nach Wochen noch zum zocken animiert, sucht man vergebens. – Schade.
Zwar stellt sich irgendwann, genauer gesagt sobald der eigene Charakter über ein gewisses Ausrüstungs-Niveau verfügt, durchaus bei jedem weiteren Ausflug nach Fortuna III ein gewisser Nervenkitzel ein – Stichwort: „Gear-Fear“ -, jedoch ist eben dieser nichts, was mich auf Dauer im Spiel hält.
„The Circle Frontier“ macht auf mich den Eindruck, als hätte sich irgendwer während der Konzeption, irgendwann zwischen einer Kaffeepause und einer Partie „Apex Legends“ gedacht: „Hey, ‚Escape From Tarkov‘ ist ganz populär, allerdings für uns hier in Berlin irgendwie zu hardcore, zu realistisch, zu erbarmungslos und überdies auch ziemlich brutal. Lasst uns einfach das grundlegende Gameplay nehmen, simplifizieren und dem ganzen dann einen quietschbunten Comic-Look verpassen, damit die Optik dem spielerischen Anspruch nahekommt! Ach ja, und kostenlos muss das Ganze natürlich sein, damit wir überhaupt eine Chance haben, einen gewissen Hype zu generieren!“. Hinzu kommen typisch-deutsche „Entwickler-Tugenden“ wie z.B. enorm hakelig animierte Charaktere (die 3rd-Person-Laufanimation in der Raumstation ist einfach nur grausam anzusehen…, und warum NPCs während Dialogen selbst in der Release-Version ihre Münder nicht bewegen, wissen wohl nur die Jungs und Mädels bei Yager). Zudem gibt’s kaum wirklich eigene Ideen, dafür jedoch Abkürzungen allerorten (z.B. keine erwähnenswerte Handlung, Platzhalter-Icons in der Release-Version, …), im wahrsten Sinne des Wortes zahlreiche Baustellen auf der Raumstation, welche Features teasern (Arena-PvP?), welche es nicht pünktlich zum Release ins Spiel geschafft haben, und und und.
Wie es sich für einen ordentlichen Ableger des Free-To-Play Genres gehört, darf natürlich auch ein eigener Ingame-Shop nicht fehlen. Dort angeboten werden bis dato vor allem kosmetische Items, mit denen man den eigenen Charakter zu einem gewissen Grad individualisieren, auf jeden Fall jedoch von anderen abheben kann. Bezahlt wird mit der Ingame-Währung Aurum, welche zuvor gegen Echtgeld erworben werden kann; 10 Aurum entsprechen dabei rund 1 Euro. Alternativ dazu wird die Ingame-Währung auch vom Aurum-Generator im Quartier generiert. Darüber hinaus hat es auch ein Season-Pass – man nennt ihn Fortune-Pass – ins Spiel geschafft. Dieser gewährt u.a. beim Levelaufstieg zusätzliche Goodies.
Zu guter Letzt könnte ich im Rahmen dieser Review auch noch auf die immense Dichte an Hackern eingehen, von denen „The Cycle: Frontier“ dieser Tage heimgesucht wird, da die von den Machern gewählte Anti-Cheat-Lösung Battle Eye nicht hält, was sie verspricht. Bleibt zu hoffen, dass Yager zeitnah reagiert und jenen Leuten, die anderen den Spielspaß verderben, weil sie schlicht über zu wenig Skill verfügen, einen Riegel vorschieben. Andernfalls sehe ich ehrlich gesagt schwarz, was die Langlebigkeit des Titels betrifft.
Fazit
Nach 15 gespielten Stunden kann ich konstatieren: „The Cycle: Frontier“ wird sicherlich seine Nische finden und dort als Free-To-Play Titel durchaus Erfolg haben. Eine echte Konkurrenz für den ultra-komplexen, ausgearbeiteten, feingeschliffenen, beeindruckenderweise aber nach wie vor nicht final releasten Genreprimus „Escape From Tarkov“ ist das Yager-Werk in seiner aktuellen Form jedoch nicht, – auch wenn es von so manchem Streamer und anderen, die wahrscheinlich für genau diese recht gewagte Aussage bezahlt werden, gerne mit eben diesem verglichen wird. Natürlich macht es ein paar Stunden lang Spaß, irgendwann jedoch hat man jeden Winkel von Fortuna III gesehen, die nicht sonderlich ausgearbeiteten Ausrüstungs- und Crafting-Systeme durchschaut und ist schlicht angeödet vom arcadigen Gunplay und den viel zu schnellen Kämpfen, so dass die meisten derer, die wie ich neugierig waren, was da in Berlin bei Yager Development so entwickelt wird, sich zügig wieder anderen Dingen zuwenden dürften.
Ein nettes Spiel für zwischendurch, mehr aber auch nicht.