Mirror’s Edge_

27. Oktober 2011          Review          "Werbung"
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Mit „Mirror’s Edge“ brachte Publisher Electronic Arts im Herbst 2008 ein höchst ambitioniertes Action-Adventure auf den Markt, das – jetzt im Nachhinein betrachtet – seiner Zeit voraus war. Der Titel kombiniert die Trendsportart Free-Running, eine dysthopisch angehauchte Welt, annähernd gewaltfreies Gameplay sowie eine elegant-minimalistisch gehaltene Optik und fantastische Soundkulisse zu einem homogenen Ganzen, das in der Branche bis dato einmalig ist.

Leider blieb „Mirror’s Edge“ was die Verkaufszahlen angeht der ganz große Erfolg verwehrt, oder mit anderen Worten: das Spiel war für EA ein kommerzieller Flop. Nichtsdestotrotz hat „Mirror’s Edge“ sich mit den Jahren eine ansehnliche Fangemeinde aufbauen können, die – mich eingeschlossen – sehnsüchtig auf ein Sequel wartet. Wer das Game noch nicht gezockt hat, sollte dies schleunigst nachholen, vielleicht liefert ja meine Spielekritik hier einen kleinen Anreiz dazu…

Mirror’s Edge
Free-Running-Adventure, 2008
DICE / Electronic Arts
www.MirrorsEdge.com

Trailer

Beschreibung
In einer Stadt, in der sämtliche Kommunikation strengstens überwacht wird, transportieren flinke Kuriere, die „Runner“, sensible Daten an neugierigen Blicken vorbei. In diesem scheinbar utopischen Paradies wurde ein Verbrechen begangen, deine Schwester wurde hintergangen und jetzt wirst du gejagt. Du bist die Runnerin Faith und dieses innovative Action-Adventure in der Ego-Perspektive erzählt deine Geschichte. In „Mirrors Edge“ schlüpfst du in die Haut dieser einzigartigen Heldin, während sie die Stadt in schwindelerregenden Höhen durchquert, atem-beraubende Kämpfe führt und sich rasante Verfolgungsjagden mit ihren Gegnern liefert. Durch das unvergleichliche Bewegungsgefühl und die einzigartig intensive Perspektive wirst du mitten in Faiths Welt hineingezogen – eine Welt, die intuitiv, unmittelbar und extrem gefährlich ist. Leben oder sterben? Aufsteigen oder fallen? Eins ist sicher: In dieser Stadt lernst du, wie man rennt… – Quelle

Review

„Mirror’s Edge“ ist ein Gesamtkunstwerk. Das zu bemerken fällt nicht sonderlich schwer, denn sobald man hineingeworfen wird ins Spielgeschehen, oder nein: eigentlich schon, wenn man zum ersten Mal im hübschen Hauptmenü aufschlägt, wird man eingenommen von dieser ganz besonderen Atmosphäre, die diesen Titel so besonders macht. Zum einen wäre da die – ja, richtig geraten – atmosphärische Musikuntermalung zu nennen, die sich durch das gesamte Spiel zieht. Wirklich grandios ist der Soundtrack „Still Alive“, performed von der kanadischen Sängerin Lisa Miskovsky. Zum anderen wäre da der – für Hardcore-Grafik-Fetischisten sicherlich ein wenig gewöhnungsbedürftige, da sehr minimalistisch und reduziert gehaltene – Look, auf den die Entwickler von DICE (u.a. „Battlefield“-Franchise) gesetzt haben.

Faiths Welt präsentiert sich sehr abstrakt, steril und mit wenigen Details ausgeschmückt, aber keinesfalls hässlich, bzw. irgendwie unansehnlich. Ich für meinen Teil finde den Grafikstil sehr stylish! Jeder Level ist dabei in einer eigenen Grundfarbe gehalten, was nicht nur eine nette optische Spielerei ist, sondern in der Tat ein spielrelevantes Element: Da die Protagonistin während ihrer Abenteuer in den schattigen Häuserschluchten und Kanälen der Stadt nicht auf einen Kompass oder eine Karte zurückgreifen kann (ein Ingame-Interface gibt es nicht), muss sie sich anderweitig zurechtfinden. Dies tut sie, indem sie sich – entgegen jeder Logik – an markanten Punkten orientiert, die in der jeweiligen vorherrschenden Grundfarbe des Levels angepinselt wurden. Das kann beispielsweise ein blauer Wolkenkratzer sein, ein gigantisches gelbes Reklameschild, oder lediglich unscheinbare rote Ziegelsteine oder Kisten, die irgendwo unauffällig drapiert wurden. Nur wer die Augen stets offen hält, findet all diese Punkte und kommt heil ans Ziel!

Diese Wegpunkte erreicht Faith durch teils wirklich atemberaubende Moves und Stunts, spektakuläre Wallruns, indem sie sich an Häuserfassaden entlang hangelt, waghalsige Sprungeinlagen hinlegt, von einem Wolkenkratzer zum anderen hechtet, und und und. Wer sich mal etwas eingehender mit dem Thema Free-Running beschäftigt hat, dürfte sich ungefähr ausmalen können, was den Spieler in „Mirror’s Edge“ erwartet. Am good ol‘ PC geht dabei die Steuerung dank präziser Eingabegeräte aka Maus und Tastatur etwas leichter von der Hand als mit dem insbesondere bei komplexen Moves eher fummeligen Gamepad einer Xbox 360 oder Playstation 3. Jedenfalls ging es mir so, weshalb ich mir seinerzeit ein paar Tage nach der Xbox 360-Version frustriert auch die für den PC geholt habe. Und noch ein paar Unterschiede von der PC zur Konsolenfassung gibt es: So wurden die Levels in der PC-Version des Spiels ein wenig „aufgebohrt“, was sich durch dezent hübschere Grafik sowie ein paar zusätzliche Details wie im Wind wehende Plastikplanen, durch die Gänge huschende Ratten und ganz allgemein durch eine etwas höheren Weitsicht bemerkbar macht.

Ein großer, wenn nicht sogar der größte Schwachpunkt von „Mirror’s Edge“ ist die sehr unspektakulär geratene Story. Die legt nicht allzu viel Wert darauf, den Spieler mit den Protagonisten des Spiels bekannt zu machen, ihn allmählich in die Welt von „Mirror’s Edge“ einzuführen, sondern wirft ihn ohne viele Worte direkt ins Geschehen. Die Handlung wird dabei in Form von kurzen, maximal 2-minütigen Anime-Clips erzählt, und dreht sich primär um einen Verräter in den eigenen Reihen, der die Pläne der Runner-Gang immer und immer wieder zu sabotieren versucht. Die (auch in der deutschen Fassung) recht nett vertonten Zwischensequenzen mögen zwar von ihrem Stil her zum Rest des Spiels passen, doch wirken sie in meinen Augen im direkten Vergleich ziemlich lieblos, teils geradezu billig. Man hat zuweilen den Eindruck, irgendwann ging den Machern schlicht das Budget aus und auf der ToDo-Liste waren die Zwischensequenzen, die die einzelnen Levels logisch miteinander verbinden, noch nicht abgehakt. Sehr schade, hier wurde einiges an Potenzial verschenkt! Frustrierend: Da einige Moves absolut präzises Timing voraussetzen, sind viele Passagen des Spiels, insbesondere gegen Ende der Storyline, beim ersten Playtrough nur durch exzessives Trial’n’Error zu schaffen. Das ist nervig, lässt sich bei einem solchen Spiel wohl nicht vermeiden.

Nichtsdestotrotz ist es immer wieder faszinierend und eine wahre Freude, mit der agilen Faith die riesige Stadt unsicher zu machen. Das mit Abstand wichtigste Gameplay-Element, das spektakuläre Free-Running, ist dem schwedischen Entwicklerteam von DICE wirklich außerordentlich gut gelungen, es funktioniert einfach und ist in seiner Machart bis heute einzigartig. Man gerät mit der Zeit gewissermaßen in einen Rausch, will immer schneller, besser, perfekter durch die Levels kommen, wird beinahe süchtig nach dem perfekten Fluss! Neben der erwähnten Story, bei der man leider schon nach knapp 4 Stunden die Credits sieht, gibt es noch den Spielmodi „Time Trail“, in den man sich auf der Suche nach der optimalen Route durch die Häuserschluchten schon mal stundenlang reinsteigern kann. Die eigenen Bestzeiten können mit denen der (noch immer sehr aktiven) „Mirror’s Edge“-Community verglichen werden, was zusätzlich motiviert.

Fazit

Für mich persönlich gehört „Mirror’s Edge“ – trotz seiner hier und da vorhandenen Schwächen – zu den besten Videospielen aller Zeiten: Das Gameplay ist auch knapp drei Jahre nach dem Release einmalig, die Optik in meinen Augen zeitlos schick und das Gefühl, sich mit Faith durch die beeindruckenden Häuserschluchten zu hangeln, unerreicht lässig. Wer offen ist für innovatives Gameplay abseits der ausgelatschten Pfade, sollte auf jeden Fall einen Blick riskieren. – „Mirror’s Edge“, ein zeitloser Klassiker, der garantiert auch in ein paar Jahren noch Spaß machen wird!

Letztes Update: 25. Juni 2018
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