Bereits vor dem Release war „Hogwarts Legacy“ in aller Munde und für so einige Schlagzeilen gut: Nein, nicht etwa, weil das von dem Entwicklerstudio Portkey Games kreierte Rollenspiel so grandios wäre, sondern weil sich die Autorin der Harry Potter-Romane, Joanne K. Rowling, in deren erdachter Welt die Handlung angesiedelt ist, sich angeblich negativ bis ablehnend gegenüber Trans-Personen geäußert haben soll. Da das ja mal so gar nicht geht, wird seither von Aktivisten on- wie offline zum Boykott des Spiels aufgerufen.
Ich für meinen Teil habe mit Rowling nicht sonderlich viel am Hut. Auch habe ich Rowlings Romane, die sie einst von der Sozialhilfe-Empfängerin zur Milliardärin gemacht haben, nicht gelesen und bin mit der ganzen „Harry Potter“-Thematik bislang eigentlich lediglich durch meine bessere Hälfte in Berührung gekommen, mit der zusammen ich vor ein paar Jahren die ganzen Filme geschaut habe. „Hogwarts Legacy“ habe ich mir trotz der anhaltenden Boykottaufrufe zum Release gegönnt, weil ich einfach nach einer viel zu lang andauernden Durststrecke mal wieder extrem Bock auf ein gutes RPG hatte. Nach knapp 35 Stunden, die ich in und um das namensgebende Schloss Hogwarts, in den umliegenden lauschigen Dörfer und Ländereien verbracht, in denen ich schier unzählige Feinde ins digitale Nirvana geschickt und diverse kurze wie lange, stets jedoch erstaunlich ausgearbeitete Quests absolviert habe, kann sagen: Ich wurde nicht enttäuscht!
„Hogwarts Legacy“ ist ein gutes Videospiel geworden. Wie gut, habe ich in der nachfolgenden ausführlichen Review zur PC-Version aufgeschrieben.
Hogwarts Legacy
Fantasy-Rollenspiel, 2023
Portkey Games / Warner Bros.
www.HogwartsLegacy.com
Release-Trailer
Review
In „Hogwarts Legacy“ übernehmen Spielerinnen und Spieler die Rolle eines namenlosen jugendlichen Schülers, der getreu dem Motto „Besser spät als nie“ an die Hogwarts-Zauberschule eingeladen wird, um sich fortan dem Studium der Magie und Zauberei widmen zu können. Mit Hilfe eines durchaus umfangreich geratenen Editors bastelt man sich gleich zu Beginn des Spiels, seinen idealen Charakter aus dutzenden und aberdutzenden vorgefertigten Parts zusammen. Dabei ist es vollkommen egal, ob Mann oder Frau, schwarz oder weiss, groß oder klein, dick oder dünn, – nahezu jede denkbare Kombination ist möglich. Beispielsweise auch eine asiatisch-stämmige PoC-Trans-Frau mit distinguierter Gleitsichtbrille, von lilafarbenen Strähnchen durchzogener Kurzhaarfrisur und Muskelbergen, die selbst den Hulk vor Neid erblassen lassen würden. Größere Auswirkungen auf den grundlegenden Verlauf der Geschichte von „Hogwarts Legacy“ hat die Kreierung, bzw. die Optik des eigenen Spielcharakters indes nicht; diese dient lediglich der Immersion und der Verbundenheit mit dem digitalen Alter-Ego.
„Hogwarts Legacy“ nennt eine in insgesamt 40 einzelne Aufträge unterteilte Haupthandlung, gewissermaßen den sprichwörtlichen Roten Faden, dem Spielerinnen und Spieler folgen müssen, um irgendwann den Abspann des Spiels zu Gesicht zu bekommen, sowie mehrere Dutzend kürzere Nebenhandlungsstränge sein Eigen. Hinzu kommen nochmal 12 spezielle Hausaufgaben, in deren Rahmen der Charakter sich neue starke Zaubersprüche aneignen kann, – einige dieser speziellen Hausaufgaben müssen zwingend absolviert werden, um in der Haupthandlung voran zu kommen. Sämtliche Aufträge werden von teils immens cineastisch inszenierten Zwischensequenzen in Szene gesetzt. Und ja, obgleich ich der erzählten Geschichte keine Hollywood-Qualität bescheinigen kann, habe ich mich trotzdem stets gut unterhalten gefühlt, – etwas, was dieser Tage leider nicht mehr viele Videospiele hinbekommen. Wer lediglich die Aufträge der Haupthandlung absolviert, ist gut und gerne 15 bis 20 Stunden beschäftigt, je nachdem wie wie Zeit man sich beim erkunden der gleichermaßen ausladenden wie ausgearbeiteten Open World (zu dieser später mehr) lässt. Zusammen mit den Nebenquests, die nahezu durch die Bank ebenfalls interessant designt sind, dürften es rund 30 Stunden Spielzeit sein, die man in der magischen Welt von „Hogwarts Legacy“ verbringen kann. Wer wirklich alle Aufträge abschließen, Herausforderungen meistern und Geheimnisse aufspüren möchte, kann noch ein paar Stunden draufschlagen. – Der Titel gehört auf jeden Fall zu den umfangreicheren Videospielen, die in der letzten Zeit veröffentlicht worden sind.
Der eigentliche Star von „Hogwarts Legacy“ ist indes nicht der Spielercharakter, sondern die wahrlich grandiose Open World und deren enorm detaillierte Ausarbeitung. Schon allein das namensgebende Schloss, in welchem die Hogwarts Schule für Magie und Zauberei ansässig ist, ist ziemlich gigantisch geraten; ich würde fast so weit gehen und von einem glaubwürdigen 1:1-Maßstab sprechen. Man fühlt sich zu Beginn des Spiels regelrecht erschlagen von der schieren Anzahl an ausgearbeiteten, mit unzähligen kleinen wie großen Details versehenen Gängen, Hallen, Räumen und Kammern, mit denen das Schloss aufwartet. Jeden Winkel von Hogwarts mit dem eigenen Charakter zu durchschlendern und die vielen Details, welche insbesondere Fans der Harry-Potter-Romane und -Filme die Freudentränen in die Äuglein schießen lassen dürften, zu bewundern, kann ohne Übertreibung schon mal gut und gerne ein, zwei Stunden in Anspruch nehmen. Und ja, natürlich streckt der Maßstab mit seinen weiten Distanzen auch die eben erwähnte Spielzeit des Titels. Insbesondere dann, wenn man nicht für jeden Gang zu einem neuen Auftrag auf das Flohpulver-Schnellreise-System zurückgreift, bzw zurückgreifen kann, da einige Schnellreise-Punkte noch nicht entdeckt und somit noch nicht freigeschaltet wurden, und auch noch keines der anderen Fortbewegungsmittel (Zauberbesen, Hippogreif etc) nutzen kann.
Vor allem Ubisoft darf sich für seine Open-World-Titel (u.a. „Assassin’s Creed“, „The Division“) ruhig eine oder am besten gleich mehrere Scheiben von der Gestaltung der Welt abschneiden. Hier hat man es an nahezu keiner Stelle mit eiligem, seelenlosen Copy’n’Paste-Design zu tun (ja, „Forspoken“, auch du bist gemeint!), sondern mit einer Welt, die augenscheinlich von Fans der Vorlage mit sehr viel Herzblut erschaffen wurde. Chapeau!
Neben Schloss Hogwarts, welches für Spielerinnen und Spieler und deren Zauberschüler gewissermaßen als Hub für sämtliche Unternehmungen in der Welt von „Hogwarts Legacy“ dient, haben es auch die Ortschaft Hogsmeade sowie mehrere kleinere Dörfer ins Spiel geschafft, die inmitten lauschiger Wiesen liegen, sich an dunkle Wälder schmiegen oder mit einem wunderbaren Blick aufs die See zu begeistern wissen. Auch diese wurden mit einer enormen Detailfülle ausgearbeitet und könnten aufgrund ihrer Anmutung allesamt glatt einem Märchenbuch entsprungen sein. Sie alle dienen als Anlaufstellen für den Kauf und Verkauf von Ausrüstung und Zauber-Equipment, sowie natürlich auch als Locations, um die Handlung des Spiels weiterspinnen zu können. Positiv und Immersions-steigernd: Das Gros der Gebäude im Spiel kann betreten werden ohne dass man unmittelbar vor dem Eintreten mit einem nervigen Ladebildschirm konfrontiert wird; lediglich beim Betritt von Dungeons oder besonderen Quest-Gebieten wird in der Regel einmal kurz nachgeladen. Diese wirklich seltenen Ladepausen sind – zumindest auf dem PC – jedoch nur wenige Sekunden lang kurz und somit verschmerzbar.
Der Großteil der für die Handlung des Spiels relevanten Aufträge findet derweil in besagten Dungeons und besonderen Quest-Gebieten, die sich nicht innerhalb der eigentlichen Spielwelt befinden, statt, wie das u.a. auch seinerzeit schon in „The Elder Scrolls : Skyrim“ der Fall war. Dieser technische Kniff bringt sowohl Vor-als auch Nachteile mit sich: Letztere sind die erwähnten (kurzen) Ladepausen beim Betreten, der Vorteil, der sich – zumindest für die Macher – ergibt, ist, dass diese quasi unbegrenzt neue Aufträge samt den entsprechenden neuen Gebieten „nachreichen“ können (*hust* DLCs *hust*), ohne die eigentliche Spielwelt, die sowieso schon groß und ausladend angelegt ist, anzurühren.
Was man dem Spiel wirklich vorwerfen kann ist die auf Dauer relative Armut an unterschiedlichen Feinden, was jedoch wohl auch dem Umstand geschuldet ist, dass die Macher sich an die Vorlage von J.K. Rowling halten mussten und die Welt nicht einfach nach eigenem Ermessen mit neuen Feindestypen „beglücken“ konnten. Neben Kobolden, Trollen, fiesen Spinnen und weiterem angriffigen Kriechtieren gibt es nur noch die omnipräsenten Wilderer, die Jagd auf die ebenfalls im Spiel anzutreffenden Magischen Tierwesen machen. Während Spinnen in der Regel keine allzu große Herausforderung darstellen, schützen sich hochrangige Wilderer und Kobolde ab einem bestimmten Zeitpunkt im Spiel mit magischen Schutzschilden, welche erst unter Zuhilfenahme des passenden Zauberspruchs durchbrochen werden müssen, ehe dem jeweiligen Feind überhaupt Schaden zugefügt werden kann. Die in der Wildnis und Höhlen umherstreifenden gigantischen Trolle sind indes neben den Bossen die mit Abstand widerstandsfähigsten Feinde im Spiel.
Apropos Bosse: Bosskämpfe, die den Namen verdient haben, gibt es insgesamt vier im Spiel. Wirklich spielerisch anspruchsvoll war meiner Meinung nach lediglich der finale gegen den Oberbösewicht; die anderen stellten mich selbst auf dem höchsten der insgesamt vier verfügbaren Schwierigkeitsgrade „Geschichte“, „Leicht“, „Normal“ und „Schwer“ vor keine allzu großen Probleme. Überhaupt ist „Hogwarts Legacy“ kein schwieriges Spiel, was wohl auch der anvisierten Zielgruppe geschuldet sein dürfte.
Ein zentrales Gameplay-Element von „Hogwarts Legacy“ ist das immer weitere Verbessern des Spieler-Charakters, wie man das beispielsweise Looting-RPGs wie „Diablo“, „The Elder Scrolls“ und zuletzt auch „Forspoken“ her kennt. Dies geschieht sowohl durch das Lernen neuer Zaubersprüche, die in der Regel per Besuch der entsprechenden Unterrichtsstunde sowie der erfolgreichen Absolvierung einer anschließenden Hausaufgabe, in deren Rahmen das Gelernte praktisch angewendet werden muss, freigeschaltet werden, als auch per Anlegen von immer neuem Zauber-Equipment. Im entsprechenden Ausrüstungs-Bildschirm (siehe Screenshot oben), welcher – außerhalb der Zwischensequenzen – jederzeit über das Pausenmenü angesteuert werden kann, finden sich indes insgesamt neun Item-Slots. Sechs von ihnen beeinflussen effektiv die drei im Spiel vorhandenen Charakterwerte „Gesundheit“, „Verteidigung“ und „Offensive“; die restlichen verändern lediglich die Optik des eigenen Zauberstabs, legen fest welches fliegende Reittier verwendet wird, und befasst sich mit der Verbesserung des Fliegenden Besens. Die anlegbaren Items sind derweil in ihrer jeweiligen Wertigkeit grundlegend verschieden: Einige verbessern lediglich einen der genannten Charakterwerte, andere verfügen zusätzlich über spezielle Boni, die beispielsweise bestimmte Zaubersprüche in ihrer Durchschlagskraft steigern oder aber die Widerstandsfähigkeit des Charakters gegen eine bestimmte Schadensart erhöhen. Darüber hinaus kann das Equipment, nachdem eine bestimmte Auftrag innerhalb der Haupthandlung absolviert wurde, auch nachträglich noch weiter aufgelevelt werden. Dies geschieht mit der Hilfe von unterschiedlichen Crafting-Materialien, welche sich überall in der Spielwelt aufsammeln lassen oder aber von mächtigeren Feinden wie den gigantischen Trollen nach deren Ableben zurückgelassen werden. Cool: Wenn einem die Optik eines Ausrüstungs-Gegenstands mal nicht gefällt – und es gibt so einige, die in ihrer Anmutung eher grenzwertig sind – kann das Aussehen per Tastendruck mit dem eines anderen aufgesammelten Gegenstands getauscht werden.
Ebenfalls cool: Mächtiges Zauber-Equipment kann nicht nur von besiegten Feinden erbeutet werden, sondern wird zudem auch als Belohnung für das Abhaken von bestimmten Herausforderungen und Fleißaufgaben freigeschaltet: Beispielsweise indem soundso viele Feinde eines bestimmten Typs unter Zuhilfenahme eines vorgegebenen Zaubers ins digitale Nirvana geschickt werden, überall in und um Hogwarts versteckte Zauberbuchseiten aufgesammelt oder bestimmte ikonische Sehenswürdigkeiten besucht werden. Zu letzteren lassen sich übrigens jederzeit erläuternde Texte nachschlagen, so dass auch Spielerinnen und Spieler wie ich, die sich bis dato im Harry-Potter-Universum nicht sonderlich gut auskennen, jederzeit bescheid wissen, was sie da eigentlich gerade in der Spielwelt bestaunen.
„Hogwarts Legacy“ basiert auf der Unreal Engine 4 und wie auch andere Titel, die auf diese Version von Epics Grafikengine setzen, hat das Game mit technischen Problemen zu kämpfen, – zumindest auf dem PC. So litt die Verkaufsversion zum Release unter teils heftigem Stuttering beim Nachladen von Arealen sowie dem Streaming von Texturen, und nutzte die Power der neuen Grafikkartengeneration aus dem Hause Nvidia nur begrenzt. Siehe meinen Post zum Thema, in welchem ich u.a. einen funktionierenden Workaround beschreibe, besagte technische Probleme einigermaßen in den Griff zu bekommen, bis das Entwicklerstudio in Form eines Patches nachbessert. Davon abgesehen ist „Hogwarts Legacy“ ein grafisches Brett und zweifelsohne eines der ansehnlichsten Spiele, das mir seit langer, langer Zeit untergekommen ist! Die Welt nennt eine enorme Detailfülle, hohe Weitsicht, knackig scharfe Texturen, kaum merklich nachladende Assets (Pop-Ups) dazu selbst kleinste verspielte Details, die von den Machern überall in der Welt rund um Schloss Hogwarts platziert wurden, ihr Eigen. Und das Beste: diese Grafikpracht gibt’s selbst bei mittleren Grafikeinstellungen! Die gesamte Welt an sich wirkt organisch, „wie aus einem Guss“, dabei abwechslungsreich und vielseitig, und – ganz wichtig – gepolisht. Ausgesprochen selten haben die Macherinnen und Macher Elemente, die schon einmal verwendet wurden, an anderer Stelle im Spiel wiederverwendet, was den Eindruck einer „echten Welt“, in der keine Ecke der anderen gleicht, nochmals verstärkt.
Ebenfalls gelungen ist die akustische Inszenierung des Spiels: Untermalt wird das Geschehen auf dem Bildschirm von Klängen und Musiken, die locker auch aus einem der Filme stammen könnten (höre Video oben). Sehr atmosphärisch! Wer des Englischen mächtig ist, sollte „Hogwarts Legacy“ übrigens im englischsprachigen Original zocken. Zwar machen die deutschen Sprecherinnen und Sprecher bis auf ein, zwei kleinere Ausnahmen einen guten Job, dennoch ist die englische Sprachausgabe mit ihren diversen Akzenten in meinen Ohren schlicht atmosphärischer und einfach passender – da logischerweise authentischer – bei einem Spiel, das in den Ländereien Schottlands angesiedelt ist.
Einen Mehrspielermodus gibt es unverständlicherweise nicht. Wie cool wäre es bitte gewesen, gemeinsam mit anderen die Gegend rund um Hogwarts unsicher zu machen (lies: vor den bösen Schergen zu befreien), Abenteuer zu erleben oder schlicht sich wilde Rennen auf den magischen Besen zu liefern?! Apropos Besen:Wie kann es sein, dass es ein voll ausgearbeitetes Quidditch-Spielfeld ins Spiel geschafft hat, jedoch die eigentliche Sportart in Form eines optionalen Minispiels nicht?
Fazit
„Hogwarts Legacy“ ist imho ein richtig gutes Videospiel geworden, das den Charme der Romanvorlage sowie der Kinofilme gut einfängt und mich in den knapp 20 Stunden, die ich für das Abschließen der Geschichte benötigt habe, gut hat unterhalten können. Das Kampfsystem ist angenehm spaßig-intuitiv geraten, die technische Umsetzung ist bis auf die erwähnten Bugs und sicherlich behebbaren Unzulänglichkeiten superb, und während die eigentliche Handlung des Spiels nicht an die Filme heran reicht, hätte sie zumindest von Netflix problemlos für eine sechsteilige Miniserie verwurstet werden können, – sprich: sie ist kurzweilig, aber alles in allem eher oberflächlich geraten.
Nichtsdestotrotz gebe ich für alle großen und Kleinen Potterheads, sowie für all jene, die ein solcher werden möchten, einen klaren Daumen nach oben. – „Hogwarts Legacy“ ist ein Pflichtkauf!