Gedanken zu Bleak Faith: Forsaken_

11. März 2023          Gaming

Ich muss es leider so drastisch sagen: Mich kotzen weite Teile der Videospiel-Branche nur noch an! Dass Publisher und Studios, erst Großes ankündigen und dann nicht abliefern, ist seit Jahrzehnten bekannt. Wer erinnert sich nicht an „Cyberpunk 2077“, „The Callisto Protocol“, „Forspoken“? Da dank Unreal Engine, Unity Engine und weiterer kostenlos verfügbarer Tools inzwischen auch Privatpersonen in der Lage sind durchaus hochwertige Videospiele zu kreieren und anschließend via Steam und Co. zu vertreiben, ist diese Seuche mittlerweile auch in der Independent-Szene angekommen. Neuestes Beispiel für ein über die Maßen gehyptes Spiel, welches letzten Endes die hohen Erwartungen vieler Fan nicht erfüllen konnte: „Bleak Faith: Forsaken“ der Archangel Studios.

Erst vor einigen Tagen hatte ich zuletzt hier im Blog über den Titel geschrieben: Bei „Bleak Faith: Forsaken“ handelt es sich um ein Action-RPG, genauer gesagt um einen „Dark Souls“-Klon, ein sogenanntes Souls-like, welches von einem aus lediglich drei Entwicklern bestehenden Team mit Hilfe besagter Unreal Engine und – zugegebenermaßen auch einigem Herzblut – realisiert wurde. Allerdings nicht um irgendeinen weiteren „Dark Souls“-Klon, der sich die von der japanischen Spieleschmiede From Software populär und erfolgreich gemachte Erfolgsformel zunutze macht, sondern um einen durchaus ambitionierten Vertreter des Sub-Genres. Von den Machern in Aussicht gestellt wurde ein „brutales Open-World-Survival-Horror-Action-RPG“ (Zitat stammt von der offiziellen Kickstarter-Page des Projekts) mit einer ausladenden und zur Erkundung angelegten Spielwelt, anspruchsvollen Kämpfen, welche auf „Positionierung, perfektem Timing und Ressourcen-Management“ basieren und einigen spielerischen Skill voraussetzen, sowie „epische, denkwürdige Bosskämpfe“.

Schmackhaft gemacht wurde das Ganze mittels diverser Trailer und dem ein oder anderen Influencer, der schon vorab 40+ Stunden ingame verbracht haben will:

Als großer „Soulslike“-Fan war ich sehr gespannt, was da nach über vier Jahren Entwicklung herausgekommen ist – und leider, leider wurde ich wieder einmal enttäuscht! Wie so oft in letzter Zeit, wenn ich ein Videospiel vorbestellt oder mich zumindest auf den Release gefreut habe.

Ja, das Intro des Spiels ist durchaus stimmig und macht Lust auf mehr; die Spielwelt versprühte sofort die typische „Souls“-Atmosphäre. Die ebenfalls gelungene Musikuntermalung tat ihr Übriges. Doch dann begann die Fassade zu bröckeln: Nachdem ich es aufgegeben hatte, meinen Xbox-Controller für das Spiel zu konfigurieren, folgten die ersten verbuggten Kämpfe gegen eine Mob-KI, die der Rede nicht wert ist, eine Kletterpassage, die ich als hakelig beschreiben würde, und technische Probleme der Kategorie „Wie kann das niemandem aufgefallen sein?!“. Spätestens jedoch nach dem ersten Boss-Fight, dessen grundlegender Ablauf mir irgendwie bekannt vor kam, ließ es sich nicht mehr von der Hand weisen: „Bleak Faith: Forsaken“ ist ein imho viel zu früh veröffentlichtes, da an allen Ecken und Enden unfertiges Spiel. Teilweise so fundamental unfertig, dass ich ehrlich gesagt nicht verstehe, wie es den Qualitätssicherungsprozess von Steam – neben GoG eine der beiden Plattformen, auf denen „BFF“ am 10. März 2023 veröffentlicht wurde -, den es durchlaufen musste, bevor es im Store freigeschaltet wurde, erfolgreich abschließen konnte!

Es muss doch irgendwem aufgefallen sein, dass:

  • „Bleak Faith: Forsaken“ mit Controller quasi nicht spielbar ist?
  • das offenbar kurz vor Release eilig zusammengeschusterte Ingame-Tutorial unbrauchbar ist?
  • der eigene Charakter, Mobs und Bosse regelmäßig „durch die Welt“ ins digitale Nirwana fallen?
  • die Welt an diversen Stellen nicht „geschlossen“ (aka „Blick ins weiße Nichts“) ist?
  • diverse statische Assets in der Welt in der Luft schweben?
  • einige Animationen an jene in „Dark Souls III“, „Elden Ring“ erinnern?
  • die Qualität der sonstigen Animationen im Spiel eher mau ist?
  • Mobs und Bosse heftiges Clipping und Warping aufweisen?
  • das Timing-basierte Kampf-System eher schlecht als recht funktioniert?
  • das Aufschalten von Mobs oft nicht funktioniert
  • eine Gegner-KI nur rudimentär vorhanden ist und diese gerne auch mal mitten im Kampf ausfällt?
  • Mob-Aggro nicht resettet?
  • Interface und Inventar nicht sonderlich intuitiv konzipiert und gestaltet sind?
  • bei zahlreichen Inventar-Items die Vorschau (Video Preview Missing) fehlt?
  • während längerer Sessions die FPS peu á peu in den Keller gehen (Memory Leak)?

Und das ist lediglich ein kurzer Auszug aus einer langen Liste von kleinen wie großen Bugs, nervigen Glitches, merkwürdigen Design-Entscheidungen und technischen Unzulänglichkeiten von denen die Release-Version von „Bleak Faith: Forsaken“ heimgesucht wird. Ich bin mir durchaus bewusst, dass es sich bei den Archangel Studios um ein sehr kleines „Studio“ handelt, welches sich daran versucht hat, Großes zu realisieren. Dies ist bewundernswert, und nein, „BFF“ ist keinesfalls grottig, – es bleibt lediglich weit hinter seinem Potenzial zurück: das Weltdesign zum Beispiel, welches mich mit seiner faszinierenden Mischung von Einflüssen aus „Dark Souls“, „Shadow of the Colossus“ und „Bloodborne“ plus einem Schuss Cyberpunk und „The Matrix“ sofort in seinen Bann hat ziehen können, und auch der extrem stylishe Schwarz-Weiss-Look Graufilter-Look haben was! Nichtsdestotrotz sind die Größe des Studios und die dementsprechend begrenzten Kapazitäten für mich keine Ausrede für einen solch desolaten Zustand des Titels! Wenn ich als Team um den nicht-veröffentlichungswürdigen Zustand meines Projekts weiß, dann veröffentliche ich eben nicht, sondern investiere ein, zwei weitere Monate in intensives Polishing und Bug-Fixing! Stattdessen hat man scheinbar dafür entschieden, den gesamten Q&A-Part zu skippen, bzw. ihn auf die Fanbase, welche die Entwicklung teils über Jahre hinweg begleitet hat – und nun dementsprechend verzeihend und apologetisch unterwegs ist -, und weitere interessierte Spielerinnen und Spieler auszulagern, – nachdem diese zuvor zur Kasse gebeten wurden, versteht sich.

Apropos Kasse: Knapp 26 Euro verlangen die Macher für diese bessere Alpha-Version! Wer direkt zuschlägt, darf sich indes glücklich schätzen: Nach der ersten Woche steigt der veranschlagte Preis auf 28,99 Euro…

Nach dem Launch zogen nicht viele Stunden ins Land, bis von den Entwicklern einige der oben aufgeführten Probleme zugegeben und – wie das heutzutage so ist – natürlich auch sofort Fixes in Aussicht gestellt wurden. Man arbeite bereits an einem ersten Patch, lässt das Studio etwa auf Twitter wissen, – und dieser sei erst der Anfang! Bis dahin gibt’s für den nahezu nicht existenten Controller-Support des Spiels zumindest schon mal einen Workaround. Alles andere lässt sich wohl nur durch konsequentes Weiterführen der Entwicklung „fixen“; damit der Titel eines Tages die Alpha-Phase, die ich ihm Stand heute attestiere, hinter sich lassen kann.

Auch wenn es sich bis hierher anders gelesen haben mag: „Bleak Faith: Forsaken“ ist ein Souls-like, das ich unbedingt mögen will, aber ich bringe es einfach nicht übers Herz… 🙁

Update, 11. März 2023
Ich bin scheinbar nicht der einzige, der „Bleak Faith: Forsaken“ in seiner derzeitigen Form für unspielbar hält…

P.S: Was soll man eigentlich von einem „Studio“ halten, das einen offiziellen Trailer online stellt, in dem das „Activate Windows“-Wasserzeichen retuschiert wurde?

Update, 12. März 2023
Die Entwickler haben sich inzwischen zu den Vorwürfen der Community, bei anderen Videospielen und deren Animationen gewildert zu haben, geäußert. Man nutze bestimmte Assets aus dem Epic Marketplace und habe diesen Umstand auch nie verheimlicht. Als Beispiel wurde diese Seite verlinkt, auf der Animationen angeboten werden, die in der Tat an die aus „Dark Souls“ und Co. erinnern. Darüber hinaus wiesen die Macher auf die Animations-Technik „Rotoscoping“ hin, in deren Rahmen die Bewegungen eines Models gewissermaßen als 3D-Vorlage genutzt und auf ein anderes übertragen werden.

Update, 13. März 2023
Der Elefant im Raum.

Update, 17. März 2023
Zugegeben: Von „Bleak Faith: Forsaken“ geht eine seltsame Faszination aus. Wem die allerdings die veranschlagten knapp 30 Euro nicht wert ist, jedoch trotzdem einen Blick ins Spielgeschehen werfen will, sollte sich das Let’s Play von Asmongold anschauen:

  1. Bleak Faith: Forsaken – Let’s Play, Teil 1
  2. Teil 2
  3. Teil 3
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