Seit dem 2. Juni 2022 ist die Open Beta von „Diablo Immortal“ weltweit live und… es hat mich zwar niemand nach meiner Meinung gefragt, nichtsdestotrotz möchte ich hier im Blog im Rahmen einer Review ein paar Gedanken zu Blizzards neuestem Werk zu virtuellem Papier bringen. Nachdem ich meinen Charakter binnen weniger Tage auf Level 60 gebracht und somit einen großen Teil des Spiels gesehen habe, habe ich mir eine eigene Meinung bilden können, die da lautet: Wer hofft, sich mit dem Free-2-Play Titel eine klassische „Diablo“-Erfahrung auf die SSD zu ziehen, dürfte spätestens nach den ersten zwei, drei Stunden bitterlich enttäuscht werden.
Warum ich von Blizzards neuem Action-RPG alles in allem recht enttäuscht bin, klärt meine Review zur PC-Fassung des Spiels. Diese basiert auf der Open Beta-Version von „Diablo Immortal“.
Diablo Immortal
Action-RPG, 2022
Blizzard Entertainment
DiabloImmortal.Blizzard.com
Launch-Trailer
Review
„Diablo Immortal“ beginnt, wie bis dato jeder Ableger des ikonischen Genre-begründenden Franchise begann: Nach einer schicken vorgerenderten Cutscene, in der einem mal wieder vom Ende der Welt, einfallenden Monsterhorden und sonstigen höchst beunruhigenden Entwicklungen berichtet wird, darf man sich seinen Helden-Charakter erstellen. Also wird eine der insgesamt sechs zur Verfügung stehenden, aus „Diablo III“ bereits bestens bekannten Klassen (Barbar, Kreuzritter, Dämonenjäger, Mönch, Totenbeschwörer & Zauberer) gewählt, sich für ein Geschlecht sowie eine grundlegende Optik entschieden, dann heißt es noch sich einen mehr oder minder wohlklingenden Namen ausdenken – und der Kampf gegen die einfallenden Kreaturen der Hölle kann beginnen! Nach dem Anlanden in Sanktuario wartet auch schon die erste Metzelei auf den soeben frisch erschaffenen Charakter; das Kampfsystem fühlt sich gewohnt knackig an, die einzelnen Helden-Fähigkeiten werden wie gehabt mit der linken Maustaste sowie per Tastendruck auf 1, 2, 3, 4 und R ausgelöst. Auch stellt man schnell fest, dass man in „Immortal“ nicht mehr länger solo unterwegs ist, sondern wie in einem klassischen MMORPG gemeinsam mit anderen Spielerinnen und Spielern. Später trifft man im Rahmen der flott erzählten Geschichte, welche zeitlich irgendwann nach den Geschehnissen in „Diablo II“, jedoch noch vor „Diablo III“ angesiedelt ist, ein paar alte Bekannte wieder, und spätestens da wähnte ich mich im sprichwörtlichen Siebten Himmel: Ein neues „Diablo“! Für umme! Hell yeah, danke Blizzard!! – Doch leider, leider zu früh gefreut…
Recht schnell nach dem für Fans der Reihe immens wohligen Beginn, kurz nachdem man wieder angefixt wurde und sich die Item-Sammelwut wieder eingestellt hat – also in etwa nach Erreichen der florierenden Stadt Westmark, die im Spiel als eine Art Hub fungiert, aus dem heraus Helden in ein neues Abenteuer aufbrechen, Items verkaufen, craften, Quests annehmen, sich im PVP beweisen können usw. -, entwickelt sich „Diablo Immortals“ jedoch bedauerlicherweise zu einem Micro-Transaction-Fest sondergleichen: Angefangen mit 99 Cent für ein besonders hübsch anzusehendes Rüstungsteil, über 4,49 Euro für virtuelle Ingame-Währung, mit deren Hilfe sich u.a. Beschwörungs-Materialien für herausfordernde Portale (Dungeons) öffnen oder binnen weniger Sekunden besonders mächtige Items für ein noch durchschlagkräftiges Rüstungsset craften lassen, bis hin zu einem sogenannten Battle Pass für 19,99 Euro, welcher mit jedem Stufenaufstieg des Charakters zusätzliche Goodies freischaltet und auch sonst einige spielerische Vorteile mit sich bringt. Käufe sind jederzeit unkompliziert möglich und binnen weniger Sekunden über Blizzards Online-Service BattleNet abgewickelt. Angepriesen werden sie schon fast penetrant in nahezu jedem einzelnen Menü des Spiels; fast immer findet sich irgendwo ein Button, der direkt oder indirekt in den Ingame-Shop von „Diablo Immortal“ verlinkt. Ganz so, wie man es von den meisten klassischen Mobile-Games á la Farmville gewohnt ist, von denen viele ebenfalls kostenlos daher kommen, allerdings darauf ausgerichtet sind, dass angefixte Spielerinnen und Spieler mittelfristig ihr Geld im Shop lassen, um sich das Leben einfacher zu machen – oder sich schlicht von anderen in der Spielwelt umherwandernden Charakteren abzuheben.
Zusätzlich bekommt man an allen Ecken und Enden Erfahrungspunkte sowie kostenlose Items nachgeworfen. Letztere beispielsweise für das erste am Tag erledigte Monster, abgearbeitete Kopfgeld-Aufträge á la „Töte 60 Monster in dem und dem Areal“, besondere Herausforderungen (welche in der Regel niemanden, der nicht grad zwei sprichwörtliche linke Hände sein Eigen nennt, vor eine eben solche stellen dürften), das wiederholte Niederstrecken von besonders mächtigen Boss-Gegnern, das Absolvieren von Faction-Quests oder schlicht und ergreifend für das Erkunden der erstaunlich weitläufigen wie vielfältigen Welt Sanktuario. Dieses „Positive Feedback“, der Umstand, dass man immer irgendwie belohnt wird für das, was man im Spiel tut, erzeugt definitiv einen gewissen Suchtfaktor und soll zusätzlich motivieren, dann doch irgendwann mal die Kreditkarte zu zücken und ein paar Euros im Ingame-Shop auszugeben. – Mich persönlich schreckt so offensichtliches Animieren zu einem Item-Buy jedoch eher ab.
Was ich Blizzard absolut nicht vergeben kann ist die Tatsache, dass das Studio, welches nach wie vor als eher PC-zentrisch gilt, es tatsächlich versäumt hat, „Immortal“ für seine Stammplattform, den PC zu optimieren. Nein, nicht leistungstechnisch, denn der Titel dürfte angesichts seiner angestaubten Technik auch auf einer wassergekühlten rohen Kartoffel noch zufriedenstellend laufen. Sondern, dass die Steuerung, bzw. die Bedienung des Action-RPGs primär auf Touch, also das Zocken auf Smartphones und Tablets ausgelegt und die Anpassung für PC nur ausgesprochen mangelhaft erfolgt ist. Mich stören beispielsweise die imho extrem klobigen gestalteten Interface-Elemente, welche schon mal gut ein Drittel des Bildschirms einnehmen. Wenn ich mir Screenshots aus „Diablo IV“ anschaue, geht das optisch deutlich auch ansprechender! Dann wäre da der irgendwie peinliche Umstand, dass im Rahmen der erklärenden Tutorial-Texte (und nicht nur dort) auch in der PC-Version von „Diablo Immortal“ konsequent von „tippen“ und nicht etwa korrekterweise von „klicken“ die Rede ist – mit der Maus wird halt nunmal geklickt und eben nicht wie mit dem Finger am Handy, bzw. auf dem Tablet getippt -, sowie die erwähnte eher maue, um nicht zu sagen angestaubte Optik des Spiels, um ja auch auf älteren Smartphones und Tablets laufen zu können. Warum man der PC-Version nicht einfach höher aufgelöste Texturen, ein paar schönere Effekte und eben ein eigenes UI spendiert hat, – unklar. Wahrscheinlich war man voll und ganz damit ausgelastet, die nächste Gelegenheit für eine weitere Micro-Transaction ins Game zu implementieren – oder zumindest eine weitere Verlinkung in den Shop zu setzen. 😉 Ach ja… wer sich im Ausrüstungs-Bildschirm mit der Maus durch seine eingesammelten Items scrollen will (siehe Screenshot oben), wie das seit Jahrzehnten in quasi jedem für PC veröffentlichten Spiel möglich ist, wird ebenfalls eine böse Überraschung erleben. Außerdem lässt sich die für meinen Geschmack viel zu nah am Geschehen befindliche Kamera weder heraus- noch heranzoomen; von drehen, um die 3D-Optik etwas mehr zu nutzen, fang ich gar nicht erst an. Nope, auch das ist kein Scherz. 😀
Ebenfalls nicht ganz rund gehen die Übergänge von einem instanzierten Areal ins andere vonstatten: Betritt der eigene Helden-Charakter etwa aus der Open-World heraus einen so genannten Solo-Dungeon, was meist passiert, um die Handlung weiterspinnen zu können, wird das entsprechende Gebiet instanziert, was mit einem kurzen aber eben merklichen Lag sowie dem Verschwinden sämtlicher umherirrender Monsterhorden einher geht. Andere Helden tauchen fortan in diesem Areal nicht mehr auf. Dieser Übergang sollte reibungsloser, unmerklicher gestaltet werden, wie sie es u.U. bei „World of Warcraft“ und „Diablo III“ geschafft haben.
Ich kann mich nur wiederholen: Blizzard ist angesichts solcher ikonischen Marken wie „World of Warcraft“, „Starcraft“, „Warcraft“ oder auch „Hearthstone“ nach wie vor ein eher PC-zentrisches Studio. Wie kann es also sein, dass es dem Team im Rahmen der seit mindestens drei Jahren andauernden Entwicklungsarbeiten bis dato (?) nicht möglich war, ein paar Extraschritte zu gehen und diese Kritikpunkte und viele weitere, die den Rahmen dieser Review sprengen würden, für die PC-Version zu verbessern, beheben oder zu optimieren, wenn man nach dem auf der BlizzCon 2018 erlebten Shitstorm nun doch sensationellerweise reumütig eine PC-Version veröffentlicht?!
In seinem jetzigen Zustand (Stand: 10. Juni 2022) macht „Diablo Immortal“ auf mich den Eindruck eines in nahezu jeder Beziehung durchschnittlichen und lediglich auf möglichst viele Micro-Transactions hin optimierten Cashcow-Titels, um seine Fanbase, die seit nunmehr fast zehn Jahren auf den Release von „Diablo IV“ wartet, richtig schön zur Kasse bitten zu können. Ok, zumindest jenen Teil, der das mit sich machen lässt. Meiner Meinung nach hat der Titel keine Seele, er ragt in keinster Weise aus dem grauen Einheitsbrei der diversen Action-RPGs, mit denen der Markt in regelmäßigen Abständen von mal mehr, mal weniger talentierten Entwicklerstudios bedacht wird, heraus – außer durch seinen großen Namen. Geboten wird allenfalls mehr vom selben – sprich: der altbekannte Diablo-Gameplay-Loop aka Monster metzeln, Charakter aufleveln, peu á peu die Ausrüstung verbessern, dabei mit einer 0815-Fantasy-Handlung berieselt werden oder diese alternativ wegklicken -, jedoch ohne an die bisherigen Teile des Franchise heranzureichen. Das Gros der Neuerungen, mit denen „Immortal“ aufwarten kann, wie z.B. die Tagesaufgaben, zufallsgenerierten Portale und Plünderungen (Raids für bis zu 8 Charaktere), Faction-Quests etc dienen lediglich dazu, Spielerinnen und Spieler, die mit ihrer Zeit noch etwas anderes anstellen wollen als in Sanktuario Monster zu kloppen, zu animieren, ihre Charaktere und deren Equipment mittels kostenpflichtiger Item-Käufe aus dem umfangreich ausgestatteten Ingame-Shop upzugraden. Denn: Nur so dürfte es all jenen, die nicht grad 24/7 „Diablo“-zockend vor dem PC hängen, irgendwann, spätestens aber im Endgame möglich sein, mit Freunden, Ingame-Bekannten oder einfach dem eigenen Clan, der sicherlich mit der Zeit immer anspruchsvollere, herausforderndere Inhalte angehen will, mitzuhalten und nicht irgendwann abgehängt zu werden. Wer mag schon freiwillig das schwächste Glied in der Kette sein, wenn der nötige Item-Boost nur ein oder zwei Ingame-Buys entfernt ist?!
Fun-Fact: Wer seinen „Diablo Immortal“-Charakter nur mit Hilfe des Ingame-Shops im Handumdrehen auf das Maximal-Level bringen und das angelegte Equipment ebenfalls maximal verbessern will, sieht sich laut Golem.de mit enormen Kosten konfrontiert. Kosten in Höhe von sage und schreibe rund 100.000 US-Dollar, um genau zu sein. Wahnsinn! Mal zum Vergleich: Der Level-60-Boost für „World of Warcraft“-Helden schlägt im Blizzard-Store mit rund 60 Euro zu Buche.
Fazit
„Diablo Immortal“, oder: Pay 2 Win at its best aus der Hölle, eingebettet in mehr vom selben, betagte Technik und Ignoranz gegenüber jener Plattform, die Blizzard Entertainment einst zum Durchbruch verholfen hat. – Ganz ehrlich: Da installier ich mir doch lieber Amazons „Warteschlangen-Simulator 22“ aka „Lost Ark“. Dieser ist zwar auf Dauer ebenfalls recht eintönig und leidet auch unter akuter Micro-Transactioritis, allerdings werden weitaus mehr interessante Inhalte – beispielsweise eine tiefgründigere Geschichte, sowie ein komplexeres Kampfsystem, sowie mehr möglichkeiten der individuellen Charakter-Entwicklung – geboten; der Titel schaut zudem deutlich hübscher aus und last but not least wurde vom Entwicklerstudio ein anständig skalierendes Interface entworfen und überdies eine funktionierende Maus- & Tastatur-Steuerung implementiert. Beides etwas, das im Jahr 2022 nicht selbstverständlich zu sein scheint…
Das warten auf „Diablo IV“ geht also weiter.
Update, 11. Juni 2022
Blizzard verkündet via Ingame-Post über 10 Millionen Installationen! Der Start von „Diablo Immortal“ sei somit der größte in der Geschichte des Franchise.