Das vom japanischen Entwicklerstudio Platinum Games kreierte Action-RPG „Bayonetta“ für die alt-ehrwürdige Xbox 360 (siehe meine Review) ist eines meiner Alltime-Favorites, das ich seit jeher in Ehren halte. Es hat mich seinerzeit wie ein Blitz getroffen, als es vor vier Jahren (oder so) hieß, dass der Nachfolger „Bayonetta 2“ ausschließlich für Nintendo WiiU erscheinen werde und somit nicht mehr für Xbox 360 und PlayStation 3, jenen beiden Plattformen, die das Franchise groß und populär gemacht haben.
Mit „NieR:Automata“ erschien am 10. März 2017 ein ebenfalls von Platinum Games entwickelter Titel für PlayStation 4 und via Steam auch für Windows-PC, welcher dank seiner in ihren Bann ziehenden bittersüßen Geschichte, des einzigartigen Settings, zahlreichen interessanten Charakteren und actionreichem Gameplay sowie einer beinahe schon unerhört-enormen Menge an Style, Persönlichkeit und Flair in dieselbe Kerbe schlägt wie der Klassiker „Bayonetta“. Im Rahmen der US-Videospielmesse Electronic Entertainment Expo 2015 enthüllt, ist „NieR:Automata“ der offizielle Nachfolger von „Nier: Gestalt“ (in Japan auch: „Nier: Replicant“) aus dem Jahr 2010 und wurde wie dieser unter der kreativen Leitung des in vielerlei Hinsicht bizarren japanischen Kultdesigners Yoko Taro realisiert. Übrigens: „Nier“-Fans und jene, die wie ich den Vorgänger leider nicht gezockt haben, werden sich wohl, wenn man denn den kursierenden Gerüchten, die unter anderem sogar von Taro höchst selbst befeuert werden, Glauben schenken mag, demnächst über eine Remastered-Edition von „Nier: Gestalt“ und unter Umständen sogar des PS2-Klassikers „Drakengard“ freuen dürfen, auf welchem wiederum die Geschehnisse der „Nier“-Reihe fußen.
Es folgt meine ausführliche Review zur PS4-Version von „NieR:Automata“, die sich – so viel sei vorweg genommen – erfolgreich ihren Weg in mein Gamer-Herz geschnetzelt hat.
NieR:Automata
2017, Action-RPG, PlayStation 4
Platinum Games / Square Enix
www.NierGame.com
Spieletrailer
Beschreibung
„Eindringlinge aus einer anderen Welt greifen ohne Vorwarnung an und entfesseln mächtige Maschinenwesen. Angesichts der scheinbar unüberwindbaren Bedrohung wird die Menschheit von der Erde vertrieben und sucht Zuflucht auf dem Mond. Dort entwickeln die Menschen eine Armee aus Android-Soldaten, die die mechanischen Horden zurückschlagen soll, deren Vormarsch jedoch lediglich verlangsamt. Um den Stillstand aufzubrechen, wird eine neue Androiden-Infanterie ins Gefecht geschickt. In der verlassenen Ödnis tobt der Krieg zwischen Maschinen und Androiden weiter. Ein Krieg, der bald eine lang vergessene Wahrheit dieser Welt enthüllen wird…“ – Quelle
Review
Können auch Maschinen ein Bewusstsein entwickeln, losgelöst von allen Skripts und Logarithmen Emotionen und Gefühle empfinden oder unter Umständen sogar zu einem Menschen werden? – Um diese Frage von beinahe schon philosophischer Tiefe dreht sich „NieR:Automata“. Im Fokus der Handlung stehen die drei Androiden 2B, 9S und A2. Sie wurden von YoRHa, einer zum Schutz der menschlichen Zivilisation aus der Taufe gehobenen Organisation, ausgesandt, um die von außerirdischen Maschinenwesen übernommene und vollkommen zerstörte Erde zurück zu erobern, um den vertriebenen Menschen, die sich zwischenzeitlich auf den Mond geflüchtet haben, die Wiederbesiedelung ihrer Heimat zu ermöglichen. Der wendungsreiche Kampf der YoRHa gegen die Maschinen, sowie die bittersüße Geschichte um die Beziehung zwischen der kühlen 2B, ihrem unscheinbaren Begleiter 9S und der mürrisch-aufbrausenden A2 sind für gut und gerne 35 Stunden beste Unterhaltung gut und können zudem mit sage und schreibe 26 unterschiedlichen Enden aufwarten, – eines für jeden Buchstaben des latainischen Alphabets. Darüber hinaus kann „NieR:Automata“ mit starken Lead-Charaktären, ordentlich Tiefgang sowie einigen erzählerischen Kniffen begeistern. Dies alles gipfelt in einem der meiner Meinung nach in vielerlei Hinsicht grandiosesten Finale der Videospiel-Geschichte. Wow!
Der Clou: Nach dem ersten Playthrough ist noch lange nicht Schluss! Nachdem man „NieR:Automata“ zum ersten Mal mit dem Duo 2B und 9S durchgespielt hat, was nach zirka 15 Stunden erledigt sein dürfte, kann die Geschichte nochmals aus der Perspektive von 9S als steuerbarem Charakter erlebt werden. Im Anschluss ans abermalige Durchspielen mit 9S, was wiederum rund 10 Stunden dauern dürfte, kann „NieR:Automata“ noch ein weiteres Mal unter anderem aus der Sicht von A2, die bis dahin lediglich in einer einzigen Szene in Erscheinung getreten ist, in Angriff genommen werden. Dieser vollkommenen Perspektivwechsel kann zudem mit mindestens einem neuen Bosskampf aufwarten und bringt den Kampf um das Schicksal der Menschheit letztlich zu seinem endgültigen Ende.
Die Geschichte von „NieR:Automata“ wird, wie man das von den allermeisten japanischen Rollenspielen gewohnt ist, mittels aufwendig inszenierter Zwischensequenzen in schicker Spielegrafik sowie in Form von ellenlangen Textpassagen weitergesponnen. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass die gebotene Handlung von „NieR:Automata“ auf den ein oder anderen Spieler, der mit den Geschehnissen aus „Drakengard“ und dem direkten Vorgänger „Nier: Gestalt“ nicht vertraut ist, unter Umständen einen recht wirren Eindruck machen könnte. Um das meiste aus „NieR:Automata“ rauszuholen, sollte man sich Fälle auf das Spiel einlassen und sich das vollständige Erlebnis geben, sprich mindestens die drei erwähnten Playthroughs mit den Enden A, B und C in Angriff nehmen. Vieles von dem, was auf den ersten Blick wirr und unklar anmutet und ganz sicher auch die ein oder andere Frage aufwirft, ergibt erst pünktlich zum, bzw. nach dem großen Finale Sinn und erweist sich letzten Endes als Puzzleteil eines großen beeindruckenden Ganzen!
„NieR:Automata“ bietet eine zwar nicht gerade gigantische, aber nichtsdestotrotz ausreichend große, abwechslungsreich gestaltete und grundlegend offen angelegte Spielwelt (Open-World), die mehr als genug Raum bietet, um sich als 2B, 9S und/oder A2 durch die schier nicht enden wollenden Maschinen-Legionen zu schnetzeln. Die Welt ist in mehrere Gebiete unterteilt, die mit einer Verlassenen Stadt, weitläufigen staubtrockenen Wüste, einem an Disneyland erinnernden Jahrmarkt samt Achterbahn, einem ausladend gestalteten Waldgebiet, in dessen Mitte eine uralte Burg-Ruine sich dem Zahn der Zeit zu widersetzen versucht, sowie einem überfluteten Küstenstreifen und last but not least einer aufgegebenen allerorten Rost ansetzenden Fabrikanlage samt ausschweifend angelegten Untergrundanlagen abwechslungsreicher quasi nicht hätten ausfallen können. Darüber hinaus gibt es auch noch eine um den fernen Mond herum schwirrenden Raumstation, den sogenannten Bunker, welcher quasi als mobiles Hauptquartier der zur Erde entsendeten YoRHa-Truppen fungiert und immer wieder als Rückzugsort für die Protagonisten dient. Sämtliche Gebiete im Spiel haben eines gemeinsam: Sie bieten ein beklemmendes Gefühl der postapokalyptischen Einsamkeit, das unter die Haut geht und für Atmosphäre sorgt.
Beeindruckend ist, dass das Spiel fast gänzlich ohne Ladebildschirm auskommt. Einmal im Spiel aufgeschlagen, muss beim Wechsel des Region per pedes nicht erneut geladen werden. Stattdessen werden die Daten im Hintergrund in den Speicher der PS4-Konsole, bzw. des PCs gestreamt. Lediglich dann, wenn einer der YoRHa-Androiden das Zeitliche segnet herunterfährt oder einige einschneidende Veränderungen in der Spielwelt auftreten, wird das Spiel kurzzeitig von einem „Systemcheck“ des Androiden-OS unterbrochen, der glücklicherweise zügig vonstatten geht und binnen weniger Sekunden wieder verschwindet.
„NieR: Automata“ bietet übrigens keine Auto-Save Funktion! Der erzielte Spielfortschritt kann lediglich an den in der gesamten Spielwelt verteilten Teleporter-Automaten sowie in deren direktem Umfeld und direkt im YoRHa-Bunker gespeichert werden. Sobald dies möglich ist, wird der Spieler durch eine entsprechende Einblendung am rechten oberen Bildschirmrand darauf aufmerksam gemacht. Game-Director Yoko Taro hat die Designentscheidung, auf eine Auto-Save Funktion gänzlich zu verzichten, in einem Interview mit der Tradition japanischer RPGs begründet, deren prominente Vertreter allesamt auf ein Checkpoint-System setzen würden.
An den erwähnten Teleporter-Automaten wird zudem an einem bestimmten Punkt der Geschichte (ungefähr nach dem ersten Drittel) ein praktisches Schnellreise-System installiert und freigeschaltet, mit dessen Hilfe sich die drei Androiden mit nur wenig Aufwand zügig über die gesamte freigeschaltete Weltkarte bewegen können. Wie oben geschrieben: Die Spielwelt von „NieR:Automata“ mag zwar nicht unglaublich ausladend angelegt sein, ordentlich Zeit lässt sich durch die Nutzung des Schnellreise auf nichtsdestotrotz einsparen! Alternativ können sich die Protagonisten auch einfach auf den Rücken eines der in vielen Gebieten der Welt umher streunenden Wildtiere schwingen und dieses als Reittier zweckentfremden. Doch aufgepasst, denn so ein aggressives Wildschwein, das mal nicht als Reittier herhalten möchte, kann auch ganz schön austeilen!
Unsere drei Androiden ziehen mit insgesamt zwei Waffensets, einer Menge Plug-In Chips und einem Kampf-Pod als ständigem Begleiter in die Schlacht. Angriffe lassen sich mit Quadrat (Leichte Waffe) und Dreieck (Schwere Waffe) ausführen. Hält man die jeweilige Taste einige Sekunden lang gedrückt, wird der ausgelöste Angriff aufgeladen und richtet mehr Schaden an. Je nachdem, welche beiden Waffen man ausgerüstet hat, verändern sich auch die möglichen Angriffe und die maximale Länge der Kombos. Gegner können bei Bedarf zudem hochgeschleudert werden, wodurch sie Attacken nicht mehr länger blocken können, was in bester Beat’em-Up-Manier mächtige Angriffs- und Komboketten ermöglicht. Gegnerischen Angriffen kann zudem per Tastendruck ausgewichen werden – ein immens wichtiges Spielelement! -, was wiederum im Anschluss daran extrastarke Konter und Finishing-Moves ermöglicht. Letztere sind abermals auf die ausgerüsteten Waffen zugeschnitten und durchaus spektakulär in Szene gesetzt! Insgesamt haben es sage und schreibe 40 unterschiedliche Waffen ins Spiel geschafft, verteilt auf die Kategorien „Kleine Schwerter“, „Großschwerter“, „Speere“ und „Kampfhandschuhe“. Jede Waffe kann in vier Schritten verbessert werden, was ihre jeweilgen Stats (z.B. Angriffskraft) in die Höhe schraubt und außerdem neue Spezialfähigkeiten (z.B. Schnelligkeit der Attacken) freischaltet. Interessant: Mit jedem Waffen-Upgrade wird auch ein neuer Info-Fetzen zur Geschichte der jeweiligen Waffe freigeschaltet. Ebenfalls gelungen: Beide Waffen aus dem aktiven Waffenset werden auf dem Rücken des Helden angezeigt (bzw. schweben leicht über diesem), was auch im Jahr 2017 noch lange nicht jedes RPG da draußen hinbekommt!
Wie war das, jeder Charakter zieht mit zwei ausgerüsteten Waffen in den Kampf? Nein! 9S ist was das anbelangt die große Ausnahme. Im Unterschied zu seinen weiblichen Androiden-Mitstreitern ist er nämlich nicht als Kampf- sondern als Aufklärungseinheit auf dem Schlachtfeld unterwegs und als solche verfügt neben einer Standardwaffe, die natürlich vom Spieler nach Belieben ausgewählt und verbessert werden kann, zudem über die einmalige Fähigkeit sich in feindliche Maschinen zu hacken, um diese auf diesem Weg wahlweise zu übernehmen, auf seiner Seite kämpfen zu lassen oder sie komplett aus dem verkehr zu ziehen, indem er sie detonieren lässt. Eine solche Detonation kann wiederum andere feindlich gesinnte Maschinen beschädigen. Der Hack geschieht in Form eines kleinen, meiner Meinung nach auf Dauer unheimlich nervigen Arcade-Spielchens, welches glatt den frühen 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts entsprungen sein könnte. Der Umstand, dass 9S sehr auf seine Hacking-Skills angewiesen ist, insbesondere kurz vor Ende des finalen Playthroughs, macht seine Abschnitte imho zu einer extrem frustrierenden Angelegenheit. 2B und A2 spielen sich im Vergleich viel offensiver, flüssiger und imho angenehmer!
Ein weiteres wichtiges Gameplay-Element von „NieR:Automata“ sind darüber hinaus die Plug-In Chips, die von geschrotteten Gegnern aufgesammelt oder notfalls auch bei Händlern im Widerstandslager und anderen Locations der Spielwelt erworben werden können. Mit Hilfe der Plug-In Chips kann man die Androiden an seine spielerischen Vorlieben anpassen. So können beispielsweise Stats und Fähigkeiten wie Angriffskraft, Blocken, Counter-Reichweite, Auto-Heal, sowie Spezialeffekte wie Durchbrennen, Rückstoß etc. gezielt gepusht, bzw. überhaupt erst freigeschaltet werden. Wie viele Chips jeweils gleichzeitig aktiv sein können, wird durch den freien Systemspeicher des Androiden begrenzt. Dieser kann bei Bedarf aufgerüstet und erweitert werden. Ziemlich cooles Detail am Rande: Wer noch einen wenig zusätzlichen Speicherplatz freiräumen möchte allerdings bereits alle Systemspeicher-Upgrades gekauft hat, kann Teile oder sogar das komplette HUD deaktivieren, indem er die entsprechenden Plug-In Chips deaktiviert und auf diese Weise beispielsweise die Mini-Map, grundlegende Informationen zum gerade anvisierten Feind oder den HP-Balken des eigenen Charakters ausblendet. Doch Vorsicht: Bei der Herumbastlerei nicht übermütigerweise den einen wichtigen System-Chip mit dem Androiden-OS löschen, sonst sieht man sich ehe man sich versieht mit einem der zahlreichen vorzeitigen Enden – um genau zu sein mit Ende „T“ – konfrontiert!
Und zu guter Letzt wären da noch die Pod-Begleiter von 2B, 9S und A2 zu nennen, die ebenfalls ein wichtiges Spielelement sind. Jeder Android kann maximal drei Pods ausrüsten. Diese fungieren quasi als mobiles MG für den Fernkampf, können jedoch auf Wunsch auch mit zahlreichen unterschiedlichen Pod-Programmen aufgerüstet und umprogrammiert werden. So können nahe Gegner etwa auf Knopfdruck in eine Art Miniwurmloch gezogen werden oder aber ein defensiver Schutzschild kann um den ihn zugeteilten Androiden errichtet werden.
Praktisch: Zwischen den Waffensets, Kampf-Pods sowie den angelegten Chip-Konfigurationen kann per simplem Tastendruck in Windeseile durchgewechselt werden. Zudem können dem Begleiter (1. Playthrough: 9S, 2. Playthrough: 2B) jederzeit Anweisungen gegeben werden, wie dieser sich während des fröhlichen Geschnetzels denn im Idealfall verhalten soll. Zur Auswahl stehen u.a. Nahkampf, Fernkampf, eine ausgeglichene sowie eine komplett passive Kampfhaltung, womit man das Team quasi zur Ein-Frau-Armee (bzw. Ein-Mann-Armee) degradiert, was wiederum den spielerischen Anspruch in die Höhe schraubt. Das System funktioniert in der Regel gut und zuverlässig.
Kommen wir zum Kernelement von „NieR:Automata“: dem Kampfsystem sowie den unzähligen Auseinandersetzungen mit den Maschinenwesen, mit denen sich die drei Protagonisten des Spiels in schöner Regelmäßigkeit konfrontiert sehen. Insgesamt haben es sechszehn Grund-Gegnertypen ins Spiel geschafft, die wiederum in verschiedenen Variationen und Ausstattungs-Leveln in der Welt präsent sind und, je nachdem wie weit man im Spiel bereits vorangeschritten ist, bzw. in welchem Playthrough man sich befindet, mehr oder weniger schwer zu schrotten sind. Gegner wie zum Beispiel die einfachen „Federn“ (Name des kleinsten und am einfachsten zu besiegenden Gegnertyps im Spiel), denen im ersten Playthrough noch mit zwei, drei Schwerthieben und ein wenig Beschuss des Pods beizukommen ist, rücken im zweiten bereits mit elektrisch aufgeladenen Schilden an, die einen direkten Angriff erschweren, und werden im dritten zusätzlich von umher wirbelnden Laser- und Kugelbarrien und EMP-Attacken geschützt, denen es tunlichst auszuweichen gilt, weil sie bei einem direkten Treffer schon mal wichtige Systeme ausfallen lassen, was wiederum schon mal dazu führen kann, dass man es zum Beispiel mit einer eingeschränkten visuellen Darstellung zu tun bekommt.
Nettes Detail am Rande: Je nachdem in welchem Gebiet der Spielwelt man sich befindet, variiert die Optik, das Aussehen der Maschinen und wird an die Umgebung angepasst. So tragen sie etwa in der Wüste eine irgendwie schon recht witzige Poncho-Sombrero-Kombo, während sie sich anderso in mittelalterlicher Ritterskluft in den Kampf stürzen. Dies entschädigt zumindest ein klein wenig dafür, dass man es wie gesagt lediglich mit sehr wenigen unterschiedlichen Gegnertypen zu tun bekommt.
Zwischen all dem nicht enden wollenden Geschnetzel will auch die ein oder andere Nebenmission angenommen und absolviert werden. Leider beschränken die gestellten Aufgaben sich in der Regel darauf, entweder eine bestimmte Stelle auf der Weltkarte zu erreichen (an der dann meist ein etwas tafferer Gegner wartet) oder aber für einen Auftraggeber, der seinen trägen Allerwertesten aus Gründen nicht hoch bekommt, mehrere Items zu farmen. Abwechslungsreicher als diese wird’s leider nicht. Gut, in drei Nebenmissionen sollen in einer Art Labyrinth Kisten verrückt werden, um den Weg zu einem versteckten Gegenstand freizulegen, um diesen letztlich bergen zu können. Das war es dann aber auch. Am Ende einer jeden erfolgreich abgeschlossenen Aufgabe hagelt es Credits, Erfahrungspunkte sowie neue Lore-Schnipsel. Dann und wann wird man sogar mit einem neuen Schwert, Speer oder Fausthandschuh für die Waffensammlung belohnt. Deren Erhalt sollte die primäre Motivation für die Absolvierung der Nebenmissionen sein, spektakuläre zusätzliche Handlungsfäden sollte man hingegen nicht erwarten. Diese braucht’s angesichts der starken Hauptgeschichte allerdings auch nicht zwingend.
Am Ende eines jeden Handlungsabschnitts wartet mindestens ein Boss darauf, sich mindestens die ein oder andere unschöne Delle einzufangen. Insgesamt umfasst „NieR:Automata“ 24 Bosse, die allesamt mehr oder minder anspruchsvoll zu besiegen sind und zumindest eine individuelle Herangehensweise voraussetzen, um ihnen beizukommen. Beim Gros von ihnen handelt es sich um überdimensionale außerirdische Maschinenwesen, bei anderen wiederum um Androiden wie z.B. Adam und Eva, und bei wenigen… nun ja, das wäre ein ziemlicher Spoiler, dies an dieser Stelle zu verraten. 😉 Auf den beiden niedrigsten Schwierigkeitsgraden Leicht und Normal ist den meisten Bossen mit simplen Draufballern und dem Einsatz der Nahkampfwaffen relativ einfach beizukommen. Auf Schwer und Extrem, jenen beiden Schwierigkeitsgraden, auf denen man das Spiel auf jeden Fall angehen sollte, wenn man nicht gerade bloß die Handlung, sondern außerdem anspruchsvolle Kämpfe erleben möchte, sollten 2B, 9S und A2 wiederum ein gewisses Level und eine entsprechende Ausrüstung ihr Eigen nennen, um überhaupt eine Chance zu haben. Der Schwierigkeitsgrad des Spiels kann, was lobenswert ist, jederzeit in den Einstellungen feinjustiert werden.
Zieht ein Charakter dann doch mal den Kürzeren und „stirbt“, was je nach Gegnerdichte und gewähltem Schwierigkeitsgrad durchaus vorkommen kann, so verliert er sämtliche ausgerüsteten Plug-In Chips und auch deren Konfigurations-Schema geht komplett flöten. Um beides wiederzuerlangen muss man schleunigst den Ort seines Todes aufsuchen und seinen alten Körper bergen. Stirbt der Charakter auf dem Weg dorthin erneut, so gehen die abhanden gekommenen Chips ein für alle mal unwiederbringlich verloren. Ein interessantes Spielelement, das die Macher sich wohl bei den Hardcore-RPGs „Dark Souls“, „Bloodborne“ und „Nioh“ abgeschaut haben, welches jedoch für zusätzliche Würze und Nervenkitzel sorgt, wenn man drauf und dran ist, seine bis ins kleinste Detail ausgearbeitete Konfiguration zu verlieren.
Übrigens: Wer „NieR:Automata“ online spielt, stolpert dann und wann auch über geschrottete Körper anderer Spieler und kann diese auf Wunsch bergen, um auf diese Weise ein paar Credits (die Ingame-Währung) abzustauben und sich einen temporären Boost auf einige seiner Stats zu sichern. Wer mag, kann alternativ auch auf Credits und Boost pfeifen und sich für einige Minuten einen zusätzlichen Begleiter für einen bevorstehenden schwereren Kampf sichern. Doch Vorsicht: Dann und wann kann es vorkommen, dass man vom geborgenen Körper – aus welchem Grund auch immer – angegriffen wird!
Ein Markenzeichen der „Nier“-Videospiele ist seit jeher der in schöner Regelmäßigkeit vollzogene Wechsel der Perspektive, die Art und Weise wie das Geschehen auf dem Bildschirm perspektivisch in Szene gesetzt wird. Bereits in den ersten Spielminuten wird überdeutlich, dass die Jungs und Mädels von Platinum Games mit besagtem Markenzeichen nicht brechen wollen: „NieR:Automata“ beginnt als Top-Down-Shooter á la „Ikaruga“, geht wenig später in einen klassischen Side-Scroller über und endet in der standesgemäßen 3rd-Person Sicht schräg oben hinter der Protagonistin 2B, die sich dann auch schon in der alten verlassenen Fabrik mit dem allerersten überdimensionalen Zwischengegner des Spiels konfrontiert sieht. Solche Wechsel der Spielperspektive kommen im Verlauf der Handlung in schöner Regelmäßigkeit vor und gehen, insbesondere was die Steuerung anbelangt, erstaunlich reibungslos vonstatten. Sie wirken nicht etwa wie ein Fremdkörper, der den Spielfluss unterbricht, sondern wie ein außergewöhnliches stilistisches Element, das „NieR“ halt eben ausmacht.
Apropos Stil: Das Menü von „NieR:Automata“, in dem man als Spieler durchaus viel Zeit verbringt, ist ebenfalls ein echter Hingucker! Ich kann mich nicht erinnern, wann mir zuletzt ein dermaßen stylishes wie aufgeräumtes Ingame-Menü untergekommen ist. Die Navigation durch die Unterpunkte „Karte“, „Aufgaben“, „Gegenstände“, „Waffen“, „Fähigkeiten“, „Wissen“ und „System“ klappt mühelos und direkt ohne nervige Ladezeiten. Einzig die Weltkarte, beziehungsweise die Navigation über eben diese ist für meinen Geschmack einen Ticken zu abstrakt, zu unintuitiv zu bedienen geraten. Auch ist es nicht möglich, eine Quest als aktiv zu setzen und ihre Ziele permanent im HUD einzublenden. Stattdessen werden auf der Minimap stets alle Questgebiete sowie die entsprechenden Marker angezeigt, was in der ein oder anderen Situation verwirrend sein kann.
Für alle, die sich ein wenig tiefer mit dem unheimlich faszinierenden „Nier“-Universum beschäftigen oder schlicht und ergreifend nur den Durchblick behalten möchten, hält das Spielemenü zudem unter dem Punkt „Wissen“ ein umfangreiches Nachschlagewerk bereit, in dem sich alles, aber auch wirklich ausnahmslos alles Wissenswerte rund um „NieR: Automata“, die Welt, Charaktere, Locations, Waffen, Maschinen, etc findet. – Wirklich schön gemacht, so und nicht anders muss das sein!
Überhaupt: „NieR:Automata“ ist für meine Begriffe auch optisch ein sehr gelungenes Videospiel und einer der ansehnlichsten Genrevertreter. Die Grafik kommt in stilisierter Comic-Optik in eher ausgelaugten, verblassten Pastellfarben daher, was zum Szenario passt. Der Detailgrad der Welt ist dabei nicht sonderlich hoch, allerdings stets ausreichend-stimmig. Das Geschehen läuft auf der PlayStation 4, die während der Entwicklungsarbeiten als Lead-Plattform fungiert hat, größtenteils flüssig über den Bildschirm und kommt in 900p (PS4 Pro: 1080p) bei anvisierten 60FPS daher. Die 60FPS-Marke hatte, wie Platinum Games mitteilt, bei der Entwicklung der Grafik-Engine absolute Priorität genossen, – verständlich, wie ich finde. Weiters bietet der Titel schöne Licht- und Schatteneffekte, die immer wieder eine wahre Augenweide sind, extrem smoothe Animationen von 2B und Co., die eigens von Kampfsport-erprobten Motion-Capturing-Artists aufgenommen wurden, sowie ebenfalls extrem weiche Übergänge von einer Animationssequenz in die nächste, was sich insbesondere während der Kämpfe bemerkbar macht. Auch die meisten Polygon-Modelle der ins Spiel implementierten Schwerter, Speere und sonstigen Waffen wissen mit viel Liebe zum Detail, stylischen Partikeleffekten und hoch aufgelösten Texturen zu überzeugen. Apropos Liebe zum Detail: Auch die Ausarbeitung der Protagonisten sowie der meisten Nebencharaktere weiß zu überzeugen. Um nicht zu sagen: „Platinum Games got the ass ’n leg game right!“
Der gute Gesamteindruck wird lediglich von immer mal wieder auftretenden Frame-Drops gemindert, die insbesondere in der verhältnismäßig weitläufigen Ruinenstadt, welche als häufig frequentiertes HUB-Level dient, auftreten. Das Spiel nennt weiters grundsätzlich eine hohe Weitsicht sein Eigen, die allerdings durch omnipräsenten Nebel (wird wie ich finde ganz gut erklärt durch die von den Maschinen verursachte hohe Luftverschmutzung) und sichtbare Pop-Ups sowie erst verspätet nachladende Details und höher aufgelöste Texturen erkauft wird.
Musik ist bekanntlich Geschmackssache. Ich für meinen Teil bin der Meinung, dass „NieR:Automata“ mit einem der wundervollsten Soundtracks der Videospiel-Geschichte aufwarten kann. Sehr orchestral, sehr erhebend. Songs, die nicht bloß instrumental daher kommen, werden in einer extra für das Spiel entworfenen Kunstsprache gesungen, die sich aus Englisch, Spanisch, Französisch, Japanisch, Deutsch und weiteren Weltsprachen zusammensetzt. Erst in den Credits hört man beispielsweise den Titelsong „Weight of the World“ / „Kowaretasekainouta“ erstmals auf Englisch, im dritten Abspann gibt’s dann die japanischsprachige Fassung.
Publisher Square Enix hat für „NieR:Automata“ lediglich eine englische sowieso eine japanische Sprachausgabe produzieren lassen, was angesichts der Nische, in welcher der Titel angesiedelt ist, durchaus verständlich ist. Dafür wurden zumindest sämtliche Bildschirmtexte mit viel Herzblut ins Deutsche lokalisiert. Die besetzten englischen und japanischen Synchronsprecherinnen und -Sprecher machen indes einen astreinen Job, so dass es niemandem übermäßig schwer fallen dürfte sich mit ihnen zu arrangieren!
Fazit
Ich könnte noch so viel schreiben und schreiben und schreiben und wüsste nicht, wie ich jemals aus dem ganzen Geschwärme wieder heraus kommen, geschweige denn zum Ende kommen sollte. Deshalb versuche ich es an dieser Stelle kurz und prägnant zu machen: Platinum Games‘ „NieR:Automata“ ist ein großartiges Action-RPG geworden, ein herausragendes Stück Videospiel-Kunst, das beim Spieler Eindruck hinterlässt. Hier trifft packendes, beeindruckend-tiefes Gameplay auf eine bittersüße Geschichte, die verdammt nochmal eine Aussage hat, die zum Nachdenken anregt und im Unterschied zu so vielen anderen Genrevertretern da draußen mal nicht mit dem oberflächlichen Holzhammer präsentiert wird. Zwar nennt das Game auch einige Schwächen sein Eigen, insbesondere auf der technischen Seite. Doch die sind alles in allem vernachlässigbar. Denn das Ganze ist größer und die Aussage wichtiger als ein paar technische Unzulänglichkeiten.
2B, 9S und A2 haben sich von Null auf Hundert in meine persönlichen Alltime-Favorites geschnetzelt und meinen bisherigen Genre-Liebling „Bayonetta“ erfolgreich vom Thron gestoßen!
Update, 16. Mai 2017
An dieser Stelle möchte ich noch ein paar Sätze zu „3C3C1D119440927“, dem just veröffentlichten ersten offiziellen Downloadable Content (DLC) für „NieR:Automata“ loswerden. Dieser schlägt im PlayStation Store mit 13,99 Euro zu Buche, bringt 3,5GB auf die Waage und erweitert das Spiel um drei neue Missionen, welche wiederum in an drei Locations in der Spielwelt versteckten Kampfarenen stattfinden, an deren Ende drei exklusive von „Nier: Replicant“ inspirierte Outfits für die Protagonisten 2B, 9S und A2 freigeschaltet werden können. Diese bieten ausschließlich optische Abwechslung, wirken sich ansonsten allerdings nicht auf das Gameplay aus. (Es sei denn, man lässt sich durch irgendwelche „Einblicke“ ablenken…)
Die Kämpfe in den stimmig entworfenen Arenen gegen mit der Zeit immer schlagkräftigere Gegnerwellen spielen sich dabei durchaus interessant. Allerdings bekommt man nichts geboten, was man nicht auch bereits im Hauptspiel erlebt hat. Auch musikalische Abwechslung wird geboten: Dank einer Kooperation von Square Enix mit der japanischen Rockband Amazarashi umfasst der erste „NieR:Automata“-DLC zudem einen neuen Song, „Deserving of Life“, der während der Kämpfe gespielt wird.
Wem insgesamt sechzehn Kampfherausforderungen, drei neue Charakter-Outfits und einige andere neue Items, z.B. Haarfärbemittel für 2B sowie eine Langhaarperücke für A2, das Geld wert sind, kann zugreifen. Ich für meinen Teil rechtfertige den Kauf, indem ich ihn als meinen Beitrag zum Funding einer eventuell bereits in der Mache befindlichen „Nier“-Remastered Edition betrachte. Man wird ja schließlich noch naiv sein dürfen… 😉