WRC 3_

10. Dezember 2012          Review          "Werbung"
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Es ist inzwischen einige Jahre her, dass ich mich zuletzt an ein beinhartes Rallye-Game gewagt habe. Nein, zwischenzeitlichen Zeitvertreib vom Schlage eines „Colin McRae Rally“ oder der inoffiziellen Fortsetzung der Reihe unter dem von Iteration zu Iteration immer arcadiger werdenden „Dirt“-Franchise zähle ich ausdrücklich nicht hinzu. „Richard Burns Rally“ hieß die Simulation, die seinerzeit noch im Laufwerk meiner alten Ur-Xbox rotierte. Wow, war das für ein beinharter Brocken von einer Rallye-Simulation!

Vor kurzem habe ich mir „WRC 3 – FIA World Rally Championship“ zugelegt. Im Vorfeld hatte ich die Entwicklung des Titels schon seit einigen Monaten gespannt verfolgt und als er dann im vergangenen Oktober endlich in den hiesigen Händerregalen aufschlug, stand es für mich schnell fest, dass ich mich nach Jahren der Abstinenz vom knallharten Rallyesport mal wieder hinter das Lenkrad eines hochgezüchteten Rallyeboliden wagen würde, um im absoluten Grenzbereich auf Zehnteljagd zu gehen.

Es folgt meine ausführliche Spielereview zur Simulation „WRC 3 – FIA World Rally Championship“ von Milestone Interactive und Namco Bandai. Vermag „WRC 3“ tatsächlich in die Fußstapfen der legendären „Richard Burns Rally“ zu treten – oder handelt es sich bei dem Spiel lediglich um ein weiteres Lizenzprodukt, welches dem Rallysport nur unzureichend gerecht wird?

WRC 3 – World Rally Championship
2012, Rennspiel
Milestone Interactive / Namco Bandai
www.WRCTheGame.com

Spieletrailer

Beschreibung
„Mit ‚World Rally Championship 3‘ betritt endlich wieder ein reinrassiges Rally-Spiel das Parkett der Racing-Games. Hier geht es um nichts anderes als das Bezwingen der anspruchsvollsten Off-Road Strecken der Welt. Ohne Schnörkel und Kompromisse! Was andere Racing-Games seit Jahren vernachlässigen bringt ‚WRC 3‘ nun endlich zurück: Die Jagd nach Bestzeiten und der Meisterschaft!“ – Quelle

Review

Ganz ehrlich: Hätte ich meinem ersten Eindruck von „WRC 3 – World Rally Championship“ mehr Bedeutung zugemessen, wäre mein Ausflug in die große, weite Welt des Rallyesports höchst wahrscheinlich schon nach rund einer läppischen Stunde schon wieder beendet gewesen. Denn: Auf den ersten Blick präsentiert sich der von dem italienischen Entwicklerstudio Milestone Interactive verantwortete Titel als stocksteifes Lizenzprodukt, dessen einziges Alleinstellungsmerkmal die offizielle Lizenz der FIA-Rallye Weltmeisterschaft ist, sowie durch seine bedauerlicherweise ziemlich biedere Präsentation, die im Vergleich mit anderen ähnlich gearteten Rennspielen für Konsole und den PC niemanden mehr vom Hocker reißt. Doch glücklicherweise habe ich mich nach der ersten etwas enttäuschenden Stunde noch einmal aufgerafft und bin drangeblieben – und siehe da: „WRC 3“ ist letzten Endes doch nicht so schlecht wie anfänglich befürchtet!

„WRC 3“ bietet, wenn man den obligatorischen Online-Modus mal außen vor lässt, lediglich zwei rudimentäre Spielmodi: Zum einen die so genannte „WRC Experience“. In deren Rahmen ist es möglich, eine komplette Saison lang auf dem Fahrersitz eines echten Rallye-Piloten Platz zu nehmen und an dessen Stelle die WRC Rallye-Weltmeisterschaft zu absolvieren. Und dann wäre da noch der „Road to Glory“-Modus, der meiner Meinung nach das Herzstück des Spiels ausmacht. In diesem Modus erstellt man sich nach seinem Gutdünken einen eigenen Fahrer und nimmt mit stetig wechselnden Wagen an immer fordernderen Veranstaltungen und Events teil, um irgendwann für den Ultimate Battle zugelassen zu werden, wo sich die aufstrebendsten Rallye-Talente miteinander messen.

Am Ende eines jeden Laufs hagelt es je nach erreichter Platzierung sowie der an den Tag gelegten Fahrweise Talentpunkte. Je mehr Punkte man im Verlauf seiner Karriere als Rallye-Fahrer sammelt, desto mehr Events, Strecken, Wagen, Sponsoren und Upgrades werden nach und nach freigeschaltet. Ein sehr arcadiges Spielelement, wie ich finde, das so überhaupt nichts mit dem echten Rallyesport zu tun hat. Von daher frage ich mich, was es in einem Spiel zu suchen hat, das sich ausdrücklich als Simulation versteht.
Das gleiche gilt übrigens auch für relativ „speziell“ geartete Events wie das scheinbar von „Forza Horizon“ (siehe meine Review) abgekupferte inspirierte Rennen gegen einen Helikopter oder das Slalomfahren durch auf der Strecke verteilte Styropor-Blöcke in der sogenannten Crash-Challenge: So etwas gehört definitiv nicht in ein Videospiel, welches sich von Arcade-Titeln wie „Colin McRae: Dirt“ abheben und als eine ernsthafte Simulation des Rallyesports positionieren will!

Das ausgerufene Ziel des Entwicklerteams war es, eine Rallye-Sim auf die Beine zu stellen, welche sowohl jene Hardcore-Simulations-Fetischisten, welche die gute alte „Richard Burns Rally“ auch acht Jahre nach dem Release noch immer als das Nonplusultra in Sachen Rallyesport auf dem PC oder der heimischen Konsole ansehen, zufrieden stellt, als auch die breite Zielgruppe der sogenannten Casual Gamer, wie man einen Gelegenheitsspieler heutzutage so schön bezeichnet. Das Problem: Bisher ist es meiner Meinung nach keinem Entwickler da draußen auch nur ansatzweise gelungen, ein anspruchsvolles Fahrmodell mit Zugänglichkeit zu verbinden, ohne gewisse Abstriche in punkto Realismus in Kauf nehmen zu müssen. – Um es gleich vorneweg zu nehmen: Auch Milestone hat diesen überaus schwierigen Spagat nicht hinbekommen, denn „WRC 3“ wie sich nach ausgiebigem über Stock und Stein-Gefahre herausgestellt hat, ist ganz klar ein Arcade-Rennspiel geworden!

Der Fuhrpark, welcher sich aus offiziell lizensierten Rallye-Karossen der Marken VW, Mitzubishi, Subaru, Mini, Ford, Toyota und anderen zusammensetzt, fährt sich nämlich für meinen Geschmack recht merkwürdig, – ja geradezu schizophren! Es drängt sich einem das unangenehme Gefühl auf, die Macher konnten sich während der Entwicklung nicht so recht für eine Richtung entscheiden: Mal steuert sich das Geschehen auf dem Bildschirm angenehm zugänglich, fast schon zu einfach und simpel. Etwa auf allgemein hin schwieriger zu fahrenden Untergründen wie nassem Schlamm in Wales oder Schnee und Eis bei der Rallye Monaco oder in Schweden. Ein andermal kommt knallhart und abrupt die Simulation zum Vorschein und man sieht sich dazu gezwungen, ganz schön am Lenkrad zu kurbeln, um seinen Wagen auf der Ideallinie zu halten.
Auffällig: Insbesondere mit dem Gamepad steuert sich „WRC 3“ relativ hakelig und in einigen Situationen, beispielsweise bei langsamer Fahrt durch Haarnadelkurven, sehr unpräzise, da Lenkbewegungen zu impulsiv ausgeführt werden. Hinzu kommen die meiner Meinung nach nur ungenügenden Force-Feedback-Effekte, welche – zumindest bei der Steuerung via Controller – nur unzureichend Rückmeldung darüber vermitteln, wie der Wagen aktuell auf der Straßen liegt, bzw. ein eventuelles Übersteuern anzukündigen. Etwas knackigeres Feedback wäre wünschenswert gewesen!
Kleines Detail am Rande: Spielt man in der Außenperspektive, dürfte – zumindest Simulations-Fans – ziemlich auffallen, dass der Wagen stets über seinen Mittelpunkt einlenkt anstatt über beide Achsen, was mit einer Simulation in etwa genau so viel gemeinsam hat wie Michael Schumacher mit der WRC. Nämlich nix. Zur Erinnerung: Dieses Detail hat schon die alt-ehrwürdige „Colin McRae Rally 3“ seinerzeit besser hinbekommen…

Ebenfalls nicht Fisch nicht Fleisch ist die Präsentation des Spiels: Dass „WRC 3 – World Rally Championship“ nicht das bestaussehenste Rennspiel ever werden würde, war schon vor ein paar Monaten absehbar. Doch dass das Endergebnis über weite Strecken so dermaßen angestaubt ausschauen würde, hätte ich nicht gedacht. Der Titel präsentiert sich wie ein Rennspiel, das auch vor gut drei, vier Jahren hätte veröffentlicht werden können. Nicht falsch verstehen: „WRC“ sieht immer noch ganz passabel aus, doch die Grafikengine ist inzwischen trotz einiger Überholungen und Updates sichtlich in die Jahre gekommen.
Der lizensierte Fuhrpark wurde nichtsdestotrotz recht detailliert modelliert und ausgearbeitet ins Spiel übertragen, – auch wenn sich mir der ein wenig Eindruck aufdrängt, alle Wagen sähen ein wenig zu, nun ja, bullig aus. Auch die Cockpits der Wagen wurden ihren Vorbildern nachempfunden, wobei man selbstverständlich nicht den Hohen Detailgrad eines „Forza 4“ erwarten darf. Und selbstverständlich dürfen auch die vollständig animierten Arme des Fahrers nicht fehlen. Hier und da verirrt sich zudem eine nett anzusehende Spiegelung auf die Karosserie, bei Regen perlen hübsch anzusehende Regentropfen über die Verkleidung der Rallyewagen. Das alles weiß auf jeden Fall zu gefallen.
Doch leider überwiegen die Schattenseiten der Grafikengine: Der Großteil der im Spiel enthaltenen Rallyes rund um den Globus präsentiert sich äußerst bieder. Man merkt dem Spiel durchaus an, dass sich die Jungs und Mädels von Milestone Interactive durchaus Mühe gegeben haben, die einzelnen Etappen in solchen Ländern wie Finnland, Schweden, Argentinien, Deutschland, Wales, Spanien, Portugal und Italien detailliert und spielerisch abwechslungsreich zu gestalten und mit einigen Details abseits der Strecke zu versehen. Das sieht mal gut aus, wie beispielsweise wenn die Strecke durch kleine Dörfer führt oder sich vom niederprasselnden Regen spiegelnde Pfützen auf der Fahrbahn bilden. Oftmals aber auch mal etwas bemüht, wenn beispielsweise am Horizont ein ganzes Rudel Heißluftballons entlangzieht oder nur unzureichend modellierte Zuschauer am Streckenrand hakelig animiert die vorbeiheizenden Fahrer anfeuern.
Alles in allem reicht „WRC 3“ bei weitem nicht an die grafische Opulenz eines „Forza Motorsport 4“ oder „Forza Horizon“ heran. Zumal die Engine des Spiels unter regelmäßigem Schluckauf in Form von plötzlich aufpoppenden, bzw nachladenden Grafiken leidet. So schaufelt die Engine kurz vor dem Start einer Etappe sowie unmittelbar vor einer Wiederholung noch schnell ein paar einzelne Bodentexturen in den Speicher, was nicht nur unschön aussieht, sondern auch vermeidbar gewesen wäre und heutzutage einfach nicht mehr zeitgemäß ist.

Außerdem: Wo sind atmosphärische Elemente abseits des Fahrbetriebs, wie beispielsweise hektisches Schrauben der Mechaniker im Parc Fermé? Wo sind die ausschweifenden Siegerehrungen s nach dem Abschluss einer Rallye? Ja, wo die Siegergeste des Fahrer im Cockpit, nachdem er die Bestzeit seines Kontrahenten pulverisiert hat? „WRC 3“ fährt was die Ausschmückung der einzelnen Rallyes anbelangt auf extremer Sparflamme. Schade, denn so entsteht einfach kein „Mittendrin“-Gefühl.

Bisschen störe ich mich auch an der müden Soundkulisse von „WRC 3“: Nein, ich rede hier nicht von der auf Dauer extremst nervigen Musik innerhalb des Hauptmenüs, auf die ich gleich noch einmal genauer zu sprechen kommen werde. Ich habe einfach das Gefühl, dass andere Rennspiele deutlich besser klingen. Irgendwie kerniger und bissiger. Ja, „WRC 3“ rühmt sich damit, dass ein Großteil der Geräusche sowie alle Motorensounds im Spiel on Location aufgenommen wurden. Das mag zwar sein, dennoch klingt das alles sehr blechern und schwachbrüstig und irgendwie so gar nicht wie ein hochgezüchteter Rallyebolide.

Zum Thema Tuning in „WRC 3“: Ja, es gibt Tuning in „WRC 3“, – zumindest im „Road to Glory“-Modus. Doch dieses Getune gestaltet sich sehr begrenzt und geht lediglich in Form von allmählich freischaltbaren Upgrades vonstatten. Diese Upgrades werden wiederum für erspielte Stars (siehe weiter oben) freigeschaltet und steigern die anfänglichen Leistungswerte der Wagen in insgesamt drei Kategorien: Fahrverhalten, Beschleunigung und Geschwindigkeit. Was sich rudimentär anhört, ist genau das: rudimentär!
Vor jeder Etappe kann der Flitzer für den jeweiligen Lauf abgestimmt und bei Bedarf repariert werden. Doch auch die Abstimmungsarbeit hält sich sehr in Grenzen und kommt allgemein hin sehr arcadig daher. Hier kann ein bisschen an der Federung geschraubt, da ein wenig am Abtrieb feinjustiert werden und dann darf sich der geneigte Spieler noch dem Getriebe widmen, um noch etwas Zeit rausholen zu können. Viel mehr gibt’s nicht. Kein Vergleich zu solch ausgetüftelten Simulationen wie dem bereits erwähnten „Richard Burns Rally“, welche, wie sich der ein oder andere sicherlich noch wird entsinnen können, seinerzeit u.a. in diesem Bereich Maßstäbe gesetzt hat.
Sehr schade ist, dass es in der Regel kaum bis überhaupt nicht nötig ist, seinen Wagen auf eine bevorstehende Etappe einzustellen. Zumal sich die fahrerischen Unterschied zwischen einem Wagen, der mit vom Spiel vorgegebenen Standardeinstellungen an den Start geht und einem, bei dem man sich vorher hingesetzt und ihn abgestimmt hat, eh sehr in Grenzen halten.

Abschließend noch ein paar Worte zur, nun ja, etwas gewöhnungsbedürftigen Menüstruktur des Spiels. Ich weiß nicht, was der verantwortliche Art Direktor während des Meetings geraucht hat, dass man auf die grandiose Idee kam, einem Rallyespiel, welches – zumindest theoretisch – Anspruch auf den Simulationsthron erhebt, einen Comic-Look zu verpassen, der frappierend an die typischen Arcade-Racer der längst verdrängten 90er-Jahre erinnert?! Das Hauptmenü versprüht in meinen Augen Null Rallye-Atmosphäre! Ich meine, wenn man sich schon damit brüstet, ein offizielles Lizenzprodukt der FIA zu sein, hätte man doch auch bitteschön auf irgendwelches Bildmaterial, Logos etc. zurückgreifen können, die dezent mehr Flair verbreiten, als irgendwelche mehr oder weniger ansehnlichen Comicbilder von fiktiven Fahrern und deren Karossen.

Apropos: Bin ich eigentlich der einzige, der sich von der netten Tutorial-Stimme ingame sehr gegängelt gefühlt hat? Stellenweise hatte ich den Eindruck, ein absoluter Fahranfänger zu sein, dem noch die Grundlagen des Rennsports vermittelt werden müssen (Stichwort: „Drück aufs Gas und zeig deinem Gegner, dass du schneller bist!“), anstatt ein aufstrebender Rallye-Fahrer, der seine Kontrahenten schon recht bald in Grund und Boden fahren wird. – Und das kann’s ja nicht sein, oder?!

Fazit

Unterm Strich ist es dem Entwickler Milestone Interactive (erneut) nicht gelungen, den Rallye-Sport nach FIA-Regularien adäquat für die heimische Konsole und den PC umzusetzen. „WRC 3 – FIA World Rally Championship“ spielt sich viel zu simpel gestrickt um als seriöse Simulation durchzugehen und streut zudem zu viele teils relativ sinnlose Arcade-Elemente ein, die echte Simulations-Puristen abschrecken dürften. Auch wenn sich die Review in ihrer Gesamtheit sehr negativ liest: Die Rallyes machen durchaus Spaß! Insbesondere der Karriere-Modus „Road to Glory“-Mode vermag es, einen für einige Stunden vor die Konsole zu fesseln. Zumindest, wenn man sich drauf einlässt und über die vielen Unzulänglichkeiten und so manche kuriose Design-Entscheidung hinwegsehen kann. Wer hingegen keinerlei Kompromisse eingehen möchte, zockt auch weiterhin die good ol‘ „Richard Burns Rally“ und wartet auf Besserung in Form eines Nachfolgers – oder (überfälligen) Wechsels des Entwicklerstudios.

Letztes Update: 25. Juni 2018
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