Gut zwei Jahre ist es inzwischen her, dass Sega und Platinum Games / Team Little Angels ein ganz besonderes Videogame auf den Markt gebracht haben, welches sich auf Anhieb den Weg in mein verspieltes Herz geschnetzelt hat: „Bayonetta“. – Es war ungelogen Liebe auf den ersten Blick!
Die zugrunde liegenden Spielmechaniken mögen eher simpler Natur sein, die Optik zwar durchaus schön anzusehen, aber eben schon damals nicht das Nonplus-Ultra, und auch die Storyline dürfte dem ein oder anderen eher wirr als sinnig erscheinen – und doch ist dieser vom japanischen Spieledesigner Hideki Kamiya (u.a. „Okami“, „Devil May Cry“, „Resident Evil“) erdachte Hack’n’Slasher so viel mehr: „Bayonetta“ darf wahrlich als ein Gesamtkunstwerk angesehen werden, – und darüber hinaus als echter Geheimtipp und grandiose Spieleperle, die in wirklich jede gut sortierte Videospielsammlung gehört! Es folgt meine Rezension…
Bayonetta
Hack’n’Slash-Action, 2010
Platinum Games / Sega
www.Bayonetta.com
Trailer
Beschreibung
„Bayonetta – letzte Überlebende eines Hexenclans aus alter Zeit, welcher einst das Gleichgewicht zwischen Licht, Dunkelheit und Chaos garantierte. 500 Jahre lang lag Bayonetta zu ihrem eigenen Schutz – und dem der ganzen Welt, wie wir sie kennen – begraben. Ihre Befreiung und Wiederbelebung lösen eine Ereigniskette aus, deren Auswirkungen möglicherweise katastrophal sind. Ohne etwas über ihre Vergangenheit zu wissen, muss Bayonetta zugleich um die Zukunft kämpfen und der Wahrheit auf die Spur kommen. Der Erfüllung dieser gewaltigen Aufgabe stehen unzählige feindliche Engel und kolossale Widersacher im Weg.“ – Quelle
Review
Denke ich an typische Hack’n’Slash-Games zurück, die ich während meiner sensationell erfolgreichen Karriere als Pro-Gamer (*hust*) gezockt habe, so sind da lediglich eine Hand voll Genrevertreter hängengeblieben. Lediglich zweien davon war das Glück vergönnt, länger als ein paar Minuten im Laufwerk meiner Xbox 360 zu verweilen, und nur bei einem der beiden, namentlich das allerorten gepriesene „Devil May Cry 4“ von Konami, kam bei mir so etwas ähnliches wie Spielspaß auf – wenn auch auf recht niedrigem Niveau. Keine Ahnung, irgendwie fand ich das Spielprinzip eines solchen Titels, welches im Grunde auf Button-Mashing-Galore beruht, immer unglaublich öde und allgemein viel zu repetitiv als dass es ernsthaft imstande wäre, mich länger als vielleicht ein, zwei Stunden an meine Konsole zu fesseln. Doch dann trat – dem Herrn der Unterwelt sei verflucht nochmal gedankt! – eine Hexe namens „Bayonetta“ in mein Leben…
Bei „Bayonetta“ handelt es sich wie erwähnt zu allererst mal um ein typisches Hack & Slash: Man prügelt sich mit seinem Charakter, in diesem Fall mit der namensgebenden Umbra-Hexe Bayonetta, höchst spektakulär inszeniert durch immer neue, nicht enden wollende Horden von Monstern, verkettet immer neue Moves und Attacken zu immer neuen atemberaubenden Kombos, um sich beim Durchgehen der Statistik, welche einen jeden Level abschließt, was auf seinen Skill einbilden zu können, powert seinen Charakter durch freischaltbare Attacken und Waffen immer weiter auf, – und betet insgeheim zu Gott (was im Fall von „Bayonetta“ ziemlich ironisch erscheint), dass das malträtierte Gamepad die ganze Button-Mashing-Orgie halbwegs unbeschadet übersteht.
So weit, so gut… bisher alles grundsolide Hack’n’Slash-Kost, nichts Besonderes. Was „Bayonetta“ von anderen Vertretern des Genres unterscheidet und somit einen Großteil der Faszination ausmacht, sind zum einen die coole, sehr stylish präsentierte Story, sowie die abgedrehten Charaktere und deren im wahrsten Sinne des Wortes göttliche Gegenspieler.
Ich persönlich halte Bayonetta für einen der grandiosesten Videospiel-Charaktere aller Zeiten! Sie vereint so ziemlich all das, was sich der geneigte (männliche, hormonell bis zum Anschlag aufgeladene) Gamer bei einer weiblichen Protagonistin (sie als gemeine Heldin zu deklarieren, wäre in ihrem Fall eher unpassend) wünscht: als da wären zum einen eine sexy Optik und beeindruckende Eloquenz, mehrere durchschlagende Knarren, sowie einen – zumindest in meinen Lauschern – unfassbar sympathischen britischen Akzent, der ihr so dermaßen auf den Leib geschneidert wurde, dass es schon nicht mehr feierlich ist. Darüber hinaus dürften auch und insbesondere Latex-, Brillen- und Lolli-Fetischisten ihre helle Freude an dieser außergewöhnlichen Hexe haben!
Ihre Gegenspieler, Gottes umtriebige Schergen aka Engel, schlagen in dieselbe Kerbe wie die Bayonetta: jeder eizelne von ihnen, und es gibt eine Menge verschiedener Gegnertypen, wirkt vom Charakterdesign her extremst abgedreht, unfassbar skuriel und einfach nur stylish. Angefangen mit kleinen Vorboten und Racheengeln, über beflügelte Riesenverschnitte, bis hin zu wirklich abstrusen Kreuzungen zwischen einem gemeinen Engel und einem Drachen, ist alles dabei. Spielerischer Höhepunkt sind die gigantischen Bossgegner, mit denen sich Bayonetta am Ende eines jeden Levels konfrontiert sieht und gegen die sie im direkten Vergleich wie eine kleine zierliche Ameise wirkt. Die Kämpfe gegen eben diese monströsen Gestalten sich schnell, brutal und ziemlich over the top geraten, und je nach gewähltem Schwierigkeitsgrad nur mit perfektem Timung und spielerischem Skill zu schaffen.
„If there’s two things I hate in this world, it’s cockroaches and crying babies! Well, a crying baby cockroach would be truly terrible… So don’t you dare cry!“ – Bayonetta
Überhaupt hat man es im Falle von „Bayonetta“ mit einer unheimlich harten Nuss zu tun. Das Spiel ist bereits auf „Normal“ wirklich bockschwer, selbst recyclebare Standardgegner, die man ohne zu übertreiben alle paar Meter vorgesetzt bekommt, hauen voll rein und färben einem mit nur ein, zwei gezielten Schlägen schon mal die halbe Lebensleiste blutrot. Unerfahrenen Genre-Neulingen und all jenen, die „Bayonetta“ einfach entspannt und ohne viel Stress durchzocken wollen, sei an dieser Stelle empfohlen, den voreingestellten Schwierigkeitsgrad beim ersten Playthrough auf den Modus „Leicht“ herunterzusetzen, das vereinfacht eine Menge! Je nachdem auf welchem Härtegrad der Titel durchgespielt wird, werden nach Beendigung der Story weitere höchst fordernde Schwierigkeitsgrade freigeschaltet, die beim Spieler entweder für himmelhoch jauchzendes Frohlocken oder aber für schlaflose Nächte sorgen dürften.
All das Gemetztel und Geschnetzel ist in eine launige, teilweise jedoch ein wenig wirr erscheinende Handlung eingebettet, welche dem Spieler in Form von flott geschnittenen, höchst stylischen und selbstredend voll vertonten Zwischensequenzen in Spielgrafik präsentiert wird, die von ihrer Länge her einem „Monster“ wie „Final Fantasy“ teilweise in nichts nachstehen und schon mal gut und gerne 10 bis 15 Minuten in Anspruch nehmen können. In den Zwischensequenzen haben die Macher nicht gerade mit spritzigen Zweideutigkeiten und sexuellen Anspielungen aller Art gespart, was sie vielleicht nicht für jedermann so nett anzusehen macht wie für meine Wenigkeit. Ich jedenfalls mag den Stil und überhaupt die Art, wie Bayonettas Geschichte und die vom Kampf der Umbra-Hexen gegen die himmlischen Mächten erzählt wird, und saß ungelogen regelmäßig mit einem nicht enden wollenden extrem breiten Dauergrinsen auf der Couch. Worum genau es in „Bayonetta“ geht, möchte ich an dieser Stelle jedoch nicht verraten, weil es dem ein oder anderen, der sich wirklich ernsthaft auf Bayonetta und ihre dämonischen Schergen einlassen will, schlicht und ergreifend eine Menge kaputt machen würde. Nur so viel: die Handlung des Titels ist für ein Hack’n’Slash durchaus verfolgenswert und weiß gut sechs Stunden bestens zu unterhalten – wenn man sich denn drauf einlässt!
Auch die Optik begeistert: Nicht nur, dass die namensgebende Protagonistin in meinen Augen zu den mit großem Abstand sehenswertesten weiblichen Videospielhelden aller Zeiten gehört und ich durchaus versucht bin, sie wahrlich als (Stil-)Ikone zu bezeichnen, nein, auch das Drumherum kann sich absolut sehen lassen! Die Charaktere-Modelle sind fein modelliert, die (Kampf-)Animationen jederzeit flüssig und der zugrunde liegende Grafikstil düster, und die Szenarien, durch die Bayonetta sich schnetzelt, ein echter Augenschmaus und wahr gewordener Traum eines jeden Action-Fans. Man merkt wirklich an allen Ecken und Enden, dass die Jungs und Mädels von Platinum Games („Metal Gear Rising: Revengeance“, „Bayonetta“, „Vanquish“) und Team Little Angels ihr Handwerk verstehen und mit viel Liebe zum Detail sowie mit einer Menge Herzblut am Werk waren!
„Come now, Cheshire…look at me. Do I look like I have any interest in children? Now making them…well, that’s another story.“ – Bayonetta
Die deutsche Version von „Bayonetta“ ist identisch mit der japanischen Originalfassung, sprich komplett uncut und wurde mit englischer Sprachausgabe veröffentlicht. Lediglich die Bildschirmtexte wurden ins Deutsche übersetzt – und das ist auch gut so! Die Vertonung des Spiels ist den Machern nämlich so exorbitant grandios gelungen, dass es eine echte Schande gewesen wäre, wenn irgendwer in irgendeiner Marketing-Abteilung versucht hätte, diese allgegenwärtige Awesomeness vor Release noch eben schnell ins Deutsche zu lokalisieren. Insbesondere Bayonettas deutlich zu vernehmender britischer Akzent ist unfassbar sexy und ein echtes Alleinstellungsmerkmal, welches man gar nicht hätte adäquat übertragen können.Doch nicht nur die Sprachausgabe ist außerordentlich superb gelungen, auch die Musikkulisse sticht eindeutig aus der triefig-grauen Standardgedudel-Masse heraus. Jeder Kampf wird von einem gelungenen, sich dem Geschehen dynamisch anpassenden, für hiesige Ohren vielleicht etwas gewöhnungsbedürftigen Japano-Pop-Soundtrack untermalt. Die einzelnen Songs wiederholen sich zwar recht schnell, insgesamt gibt es lediglich vier oder fünf verschiedene, so u.a. „Fly Me To The Moon“, „Let’s Dance, Boys“ sowie „Angel Attack“, doch alle sind – zumindest meiner Meinung nach – wirklich gelungen, so dass sie nicht Gefahr laufen, nach der dritten oder vierten Wiederholung zu nerven. Wie gesagt, der dezent trashige Stil mag nicht jedermanns Geschmack treffen, doch gerade deshalb passen sie so famos zum Gesamteindruck des Spiels: schräg, poppig, dabei doch irgendwie ziemlich gut und einfach mal was komplett anderes.
Wer sowohl eine Xbox 360 als auch eine Playstation 3 sein Eigen nennt, sollte auf jeden Fall zur 360-Version von „Bayonetta“ greifen. Die Konsole von Microsoft diente dem Team Little Angels um Lead-Designer Hideki Kamiya als Haupt-Entwicklungsplattform, und dieser bei Multiplattform-Titeln nicht ganz unerhebliche Umstand macht sich an diversen Details auch ganz deutlich bemerkbar: So treten in der PS3-Fassung des Spiels von Zeit zu Zeit unschöne Lags, Slowdowns und insbesondere immer dann, wenn’s mal etwas hektischer zur Sache geht, unschöne Zeilenverschiebungen auf. Weiters kommt „Bayonetta“ auf Sonys Playstation 3 dezent blasser rüber und wirkt darüber hinaus leicht grobkörniger aufgelöst als auf der Xbox 360. Zusammengefasst kann man sagen, dass es sich bei der Xbox 360-Version des Spiels eindeutig um die technisch ausgereiftere Version handelt. Außerdem empfinde ich den Xbox 360-Controller nach wie vor als das beste Gamepad der aktuellen Konsolengeneration, doch das ist eine rein subjektive Meinung.
„Don’t fuck with a witch!“ – Bayonetta
Fazit
Platinum Games‘ „Bayonetta“ ist ein wirklich einzigartig gelungener Hack’n’Slasher, der Dank seinen schrägen Protagonisten, allen voran die namensgebende Umbra-Hexe Bayonetta herself, sowie der fantastisch präsentierten Story und dem ziemlich stylishen Soundtrack zu punkten weiß. Wer mit dem zugrunde liegenden, für einen Titel dieses Genres wirklich hammerharten Gameplay und dem sehr europäischen Setting etwas anfangen kann, darf sich auf die ein oder andere durchzockte Nacht einstellen!