Nach rund drei Jahren hab ich mir vor ein paar Tagen mal wieder ein PlayStation-4-Videospiel gegönnt: „Gran Turismo 7“. Und obwohl ich „GT 7“ alles in allem für ein solides Rennspiel halte, fallen mir nach anfänglicher Begeisterung über Fahrgefühl, Optik und Soundkulisse immer mehr große wie kleine Dinge auf, die ich nicht so ganz verstehe, die mich stören oder bei denen ich mir – gelinde gesagt – dezent verarscht vorkomme. Im Rahmen dieses Posts möchte ich einige davon thematisieren und begründen, warum der Simcade-Racer im aktuellen Zustand eine herbe Enttäuschung ist – und eben nicht das die Konkurrenz deklassierende Meisterwerk, als das es von Medien und Fanboys (und -Girls) dargestellt wird.
GT Sport 2.0
Es beginnt schon beim Umfang: Schaut man sich diesen an, so kommt man nicht umhin zu bemerken, dass es sich bei „Gran Turismo 7“ im Grunde genommen um ein eine Version 2.0 des Vorgängers „Gran Turismo Sport“ (siehe meine Review) handelt und eben nicht um ein komplett neues Videospiel, welches den veranschlagten Vollpreis in Höhe von 70 Euro (80 Euro für die PS5-Version) rechtfertigt. Annähernd sämtliche in der Release-Version 1.0 enthaltenen Locations, Strecken, Fahrzeuge und selbst das Gros der verfügbaren Missionen und Challenges wurden getreu dem Motto „mehr vom selben“ aus dem Vorgänger übernommen. Auch die unvermeidlichen Lizenz-Prüfungen dürfen abermals abgelegt werden – für „Gran Turismo“-Fans inzwischen eine alle Jahre wieder wiederkehrende Fleißaufgabe. Gameplay-Innovationen? – Fehlanzeige! Der größte Unterschied zwischen „GT Sport“ und „GT 7“ ist die grundlegende Präsentation, welche an den allseits bekannten Stil des „Gran Turismo“-Franchise angepasst wurde. So feiert die bekannte Weltkarte mit mehreren anklickbaren Icons ihre Rückkehr, statt Dropdown-Menüs verbergen sich sämtliche Features nun hinter besagten Icons. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: 70 Euro für ein Interface-Update! Ansonsten bekommt man – von Neuerungen wie dynamischem Tageszeiten- und Wetterwechsel einmal abgesehen – nahezu ausnahmslos Inhalte geboten, die man bereits aus „GT Sport“ und/oder von „Gran Turismo 6“ her kennt. Heißt: Keine neuen Locations! Keine einzige neuen Strecke! Kaum neue Fahrzeuge! Schon x-fach gesehene Singleplayer-Missionen vom Schema-F!
Für die kommenden Monate und Jahre wurden seitens Polyphony Digital zwar bereits (kostenlose) Content-Updates angekündigt, welche den „Gran Turismo 7“ um neue fahrbare Untersätze, Strecken, Missionen und sonstige Inhalte, die es aus Gründen, die nur Polyphony und Sony kennen, nicht in die Release-Version geschafft haben, erweitern sollen. Allerdings finde ich es gelinde gesagt eine Frechheit, ein von Millionen Fans mit Spannung erwartetes ikonisches AAA-Game in solch einem ernüchternden Zustand auszuliefern! Im Release-Zustand ist „GT 7“ meiner Meinung nach jedenfalls keine 70 Euro wert, denn es ist – was die gebotenen Inhalte anbelangt – kein neues Spiel, sondern geht allenfalls als umfangreiches Update durch! „GT 7“ ist keine Revolution, wie so manch ein Sony-Jünger vorschnell geurteilt hat, nein, nicht mal eine Evolution. Vielmehr herrscht Stillstand!
Unterirdische KI
Ebenfalls nahezu unverändert aus dem Vorgänger „GT Sport“ übernommen wurde die Künstliche Intelligenz (KI) der Kontrahenten auf der Rennstrecke: Diese drehen wie gehabt stur ihre Runden, nennenswerte Positionskämpfe – sei es mit dem Spieler als auch untereinander – sucht man vergebens, unvorhersehbare dynamische Ereignisse wie Unfälle, Gelb-Phasen, Safety-Car etc finden nicht statt. Im Singleplayer-Modus geht man grundsätzlich von der letzten Position ins Rennen; Trainings-Sessions und Qualifying haben es auch im siebten Teil der Reihe nicht ins Spiel geschafft, – doch das macht nichts, denn selbst auf dem höchsten der drei verfügbaren Schwierigkeitsgrade dürfen sogar blutige Neulinge kaum Schwierigkeiten haben, in schöner Regelmäßigkeit die karierte Zielflagge als erster zu sehen. Die KI-Kontrahenten sind keine große fahrerische Herausforderung und gleichen nach wie vor eher fahrenden Hindernissen auf dem Weg zum im Grunde von der ersten Runde an sicheren Podium-Finish. Die Rennen verlaufen aufgrund dessen in der Regel ausgesprochen eintönig und sind schlicht oftmals sogar schlicht langweilig, da man, sobald die fahrenden Hindernisse umfahren sind, an der Spitze einsam seine Runden dreht ohne dass irgendetwas nennenswertes geschieht. – Ich finde es unfassbar, wie man ein Rennspiel mit einer so dermaßen grottenschlechten KI in die Regale stellen kann. Vor allem, da exakt diese bereits in „GT Sport“ so kritisiert wurde. Was haben die Jungs und Mädels von Polyphony eigentlich die vergangenen viereinhalb Jahre gemacht, dass in diesem so kritischen Bereich absolut keine Fortschritte erzielt wurden?!
Natürlich kann man jetzt argumentieren, dass der Fokus vieler Spielerinnen und Spieler tendenziell eher auf dem Online-Modus aka „Sport-Mode“ liegt, in dessen Rahmen in offiziellen Rennen gegen fahrerisch in etwa gleich starke menschliche Kontrahenten antritt, und die Singleplayer-Kampagne quasi nur dazu dient, sich „einzugrooven“ und sämtliche Inhalte (Fahrzeuge, Strecken etc) freizuschalten. – Lasse ich nicht gelten. Der Singleplayer-Part des Spiels steht im Vergleich zu „GT Sport“ viel mehr im Mittelpunkt des Titels. „Sport-Mode“ und „Multiplayer-Rennen“ sind auf der oben erwähnten Weltkarte im wahrsten Sinne des Wortes lediglich am Rande präsent und werden innerhalb der Menustruktur auch nicht über die Maßen in den Fokus gerückt.
Auch hier hat Polyphony bereits ein umfangreiches Update in Form einer nigelnagelneuen KI-Tech namens „Gran Turismo Sophy“ in Aussicht gestellt (siehe Video unten). Die Rede ist von „a Champion-level Racing AI Agent Trained Through Deep Reinforcement Learning“.
Ob und wann „Sophy“ in „Gran Turismo 7“ Einzug halten wird, ist indes nicht bekannt. Schaut imho auf jeden Fall extrem vielversprechend aus!
Ladezeiten aus der Hölle
Sicher, „Gran Turismo 7“ wurde grundsätzlich für PlayStation 5 konzipiert wie optimiert, und Menschen wie ich, die noch auf ihre olle PS4 vertrauen (schlicht, weil ich es nicht einsehe, 500 Euro 700 Euro 900 Euro – LOL! – für knapp zwei Jahre alte Hardware auszugeben), können sich glücklich schätzen, dass das neueste „GT“-Rennspiel überhaupt auch für ihren betagten Brotkasten veröffentlicht wurde. „GT7“ läuft grundsätzlich auch erstaunlich gut auf der PS4, schaut gut aus etcpp, – wenn, ja wenn da nicht die unfassbar nervigen Ladezeiten wären. Ich würde mir durchaus 20 Sekunden beim Laden einer neuen Streckenumgebung antun gefallen lassen, kein Problem. Warum aber selbst beim Wechsel von einem Menü ins andere mehrere schier endlose Sekunden vergehen (~5 Sekunden) müssen, bis dieses endlich aufploppt, erschließt sich mir nicht so ganz. Wenn mich meine Erinnerung nicht täuscht, ging das im Vorgänger noch um einiges flotter! Und falls die animierte Menüstruktur mit ihren diversen 3D-Elementen die betagte PS4-Hardware so dermaßen ausbremst, dann verstehe ich nicht wieso diese nicht zwecks besserer Usability gestrichen wurde? Auch der 1-sekündige Lag, welcher im Zeitfahren-Modus nicht selten beim Passieren der Ziellinie (aka Speichern einer neuen Rundenzeit plus Replay) auftritt, nervt immens!
Der ein oder andere Verschwörungstheoretiker spekuliert schon sicherlich, ob Polyphony Digital als First-Party-Studio die Ladezeiten auf der PS4 absichtlich lang gehalten hat, um die Blockbuster-SSD-Tech (*hust*) der PS5 zu pushen. – Ob dem so ist, entzieht sich meiner Kenntnis… 😉
Zeitfahren ohne Online-Leaderboards
Online-Leaderboards sind ein absolutes Basic einer jeden Rennsport-Sim, die etwas auf sich hält: „Assetto Corsa Competizione“, „Automobilista 2“, „RaceRoom“, „Forza Motorsport 7“, „F1 2021“, ja selbst f*ckin‘ „Project CARS 2“ macht ein virtuelles Häkchen hinter diesem Feature und ermöglicht es den Spielern, sich mit anderen auf der ganzen Welt indirekt zu messen! Jetzt stelle man sich vor es ist 2022 und ein First-Party-Studio veröffentlicht ein AAA-Rennspiel ohne Online-Leaderboards für den Hotlapping/Zeitfahren-Modus. Klingt ausgeschlossen, oder? Nope, „GT 7“ bekommt’s hin! Es existiert zwar ein Zeitfahren-Modus für jede einzelne der im Spiel enthaltenen Strecken, jedoch werden die in den Asphalt gebrannten Rundenzeiten lediglich lokal auf der Konsole, nicht jedoch online gespeichert. Somit ist es nicht möglich, seine aufgestellten Streckenrekorde mit denen anderer Spieler (nein, nicht mal denen auf der eigenen Friends-List!) zu vergleichen, um wenigstens einen Anhaltspunkt zu haben, wie man sich im Vergleich so anstellt. – Wie kann das bitte sein?!
Rallye reloaded
Die Rallye-Events in „GT Sport“ haben mich seinerzeit extrem genervt. Dies lag neben der nur sehr schwer als ansatzweise realistisch zu bezeichnenden „Hovercraft-Fahrphysik“ u.a. auch an der uninspirierten Gestaltung der im Spiel verfügbaren Rallye-Strecken. Leider wird man auch in „GT 7“ im Rahmen der Singleplayer-Kampagne nicht von einigen Pflichtevents aus der Kategorie Rallye verschont. Diese werden auf denselben Strecken wie schon in „GT Sport“ ausgetragen, – klar, denn neue gibt’s ja nicht… -, zumindest wurde geringfügig an der Fahrphysik der Boliden geschraubt. – Nervig bleiben sie dennoch.
An „Gran Turismo 7“ gibt es unheimlich viel zu kritisieren, so dass ich an dieser Stelle nun erstmal einen Schlussstrich ziehe und auf meine demnächst mit Sicherheit folgende ausführliche Review verweise. Ich hatte mich im Vorfeld durchaus auf den Titel gefreut, bin nun jedoch einigermaßen ernüchtert, für 70 Euro lediglich ein Update, aber bei weitem kein neues Spiel bekommen zu haben. Schade, dass so viele Spielerinnen und Spieler Sony das einfach so durchgehen lassen und von einem „Meisterwerk“, dem „besten Rennspiel des Jahres“ und anderen höchst wahrscheinlich der Marketing-Abteilung von Sony entsprungenen Formulierungen schwadronieren. Ich für meinen Teil kam mir jedenfalls nach einem Spielekauf selten so vera***** vor!
Gespannt auf die in Aussicht gestellten Content-Updates bin ich nichtsdestotrotz. Doch da muss einiges kommen, um die große Enttäuschung, die „GT 7“ imho aktuell ist, wettzumachen!